Eine Gegenstimme

Die getauften jungen Christen müssen erst unterwiesen werden, damit sie um ihren Christenstand Bescheid wissen, um die von Gott ihnen angebotene Gnade in Wort und Sakrament richtig verstehen, glauben und gebrauchen zu können. Es ist kaum anzunehmen, daß unsere jungen Christen dies etwa schon im Vorschul- oder Grundschulalter begreifen können, was Sünde, Gottesgericht, Gottesvergebung im Tod und in der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus ist.
(Bischof Oskar Sakrausky)

1. Die Forderung nach dem „Kinderoffenen Abendmahl“ zielt auf die Aufhebung der bisher geübten grundsätzlichen Ausschließung der nicht konfirmierten Kinder von der Mahlfeier der Gemeinde.

2. Primäres Entscheidungskriterium in dieser Frage kann nicht irgendeine Konfirmationspraxis, sondern das Verständnis des Heiligen Abendmahls als solchem, gemessen an der ganzen Botschaft Jesu Christi sein.

3. Die Heilige Schrift verweist auf die besondere Zuwendung des Herrn der Kirche zu den Kindern: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes“. Markus 10,14.

4. Das Abendmahl hat nach biblischem Zeugnis Geschenk- und Geheimnischarakter. Beide Merkmale fordern eine Teilnahme auch der Kinder eher, als daß sie sie ausschließen.

5. Dies gilt ebenso für die, in der gegenwärtigen Abendmahlspraxis manchmal verdunkelten Kriterien, daß sie Sammlung um den Tisch des Herrn Gemeinschaft konstituiert und von eschatologischer Freude getragen ist.

6. Auch der, durch das sichtbare Zeichen besiegelte und „begreiflich“ gemachte Zuspruch der Vergebung, ist für kindgemäßes Verstehen grundsätzlich offen, da ja sonst das Kind auch von der Verkündigung der Frohen Botschaft ausgeschlossen sein müßte.

7. Es sind die Erkenntnisse der Pädagogik und Psychologie ernst zu nehmen, wonach der in emotionaler Offenheit erlebte Vollzug eines Geschehens, der kognitiven, das heißt verstandesmäßigen Durchdringung vorausgehen soll, beziehungsweise diese zumindestens fördert.

8. Eine Entkoppelung von Konfirmation und erstmaliger Abendmahlszulassung brächte die Chance mit sich, daß andere wesentliche Inhalte dessen, was Konfirmation bedeutet (verantwortliches Ja zur eigenen Taufe, Segnung und Sendung, Fürbitte der Gemeinde usw.) deutlicher ans Licht treten könnten.

9. Freilich erscheint eine kindgemäße Unterweisung mit dem Mindesterfordernis, daß das Kind die Feier des Heiligen Abendmahls von „gewöhnlichem“ Essen und Trinken u unterscheiden vermag, unaufgebbar sowie die Begleitung durch Erwachsene (i.R. Eltern und Paten) zum Abendmahlstisch sinnvoll.

10. In diesem Sinne ist das Abendmahl für Kinder zu öffnen, ja unter bestimmten Voraussetzungen ihre Teilnahme sogar nach Kräften zu fördern.

Ein Befürworter

Kinder sollen Abendmahl verstehen, lernen, begreifen. Aber eben auch: Kinder. Dieser wohl unbestrittene Wunsch kann aber einer Erfüllung näher geführt werden nur auf einem noch unbestrittenen: eben der Teilnahme von Kindern am Abendmahl. Das Lernen, Verstehen und Begreifen von Abendmahl kann und wird bei Kindern nie dem Vollzug des Abendmahls vorausgehen, sondern wird immer mit ein Teil, ein Ergebnis des erlebten Abendmahls sein…indem das Abendmahl im Leben des Kindes wirklich vorkommt und so in der Tat je nach Deutung, Erklärung, Weiterführung (auch in weitere Dimensionen des Abendmahls?) und Vergewisserung bewirken kann…Kinder sind sehr wohl in der Lage, Essen und Trinken des Abendmahls von einer Brotzeit zu unterscheiden. Wie? Weniger durch verbale Belehrung; sehr viel mehr auf dem Wege der Stimmung durch den allgemeinen Rahmen des Geschehens und die Haltung der Erwachsenen
(Dietrich Blaufuß, Evang.-ref. Kirchenblatt für Bayern, März 1978)

Pro
– Hinweise aus Jesusworten (Markus 10,14; Matthäus 18,3)
– Zuwendung Jesu zu den Kindern beziehungsweise seine gelebte Grenzüberschreitung zu de Benachteiligten (Brechung von Tabus mit dem Maßstab der Liebe.
– Geheimnischarakter: Familie darf nicht auseinandergerissen werden.
– Freudenmahl- und Geheimnis-charakter kommen dem Empfinden und Denken der Kinder besonders nahe.
– Geschenkcharakter: Keine menschliche Vorleistung erforderlich
– Hilfe zum Abbau der Abendmahls-scheu.
– Kinder haben wie alle anderen die Stärkung ihres Glaubens durch das Sakrament nötig.
– Das „Verständnis kann auch bei Erwachsenen nicht kontrolliert, sondern nur – wie auch bei den Kindern – gefördert werden.
– Es ist ein echtes Bedürfnis in den Gemeinden da. Das ganzheitliche Erleben und Empfinden, also der Vollzug, geht beim Kind dem kognitiven Durchdringen voraus, beziehungsweise fördert dieses. „Verstehen“ muß also weiter als bisher gefaßt werden.
– Wenn der Konfirmandenunterricht „nachgeholter Taufunterricht“ ist, warum dann nicht auch „nachgeholter Abendmahlsunterricht“?
– Die Eltern sind heilsam herausgefordert, ihr eigenes Abendmahlsverständnis zu überdenken und zu vermitteln.
– Durch die Entlastung von der erstmaligen Abendmahls-zulassung kommen andere, mit der Konfirmation wesenhaft verbundene Aussageinhalte deutlicher zum Tragen.
Kontra
– Kein direkter Beleg in der Heiligen Schrift.
– Jesus feiert nur mit Erwachsenen Abendmahl.
– Dem Kind ist das Wissen um die Bedeutung, um die Tragweite der angebotenen Gnade nicht möglich.
– Gefahr der Mißdeutung zu sakramentalmagischem Mahl, wenn der Symbolcharakter und Verkündigungsinhalt nicht voll verstanden werden.
– Der Zugang zum Abendmahl muß ein kontrollierter sein. Diese Funktion nimmt der Konfirmandenunterricht wahr.
– Die Entkoppelung der Zulassung vom öffentlichen Glaubens-bekenntnis hat Entwertung oder Hinausschiebung desselben zur Folge und damit Entwertung oder Absterben der Konfirmation.
– Elitäres Selbstverständnis von Kindern, die früher als die anderen gehen.
– Ein Kind ist nicht reif, die im Formular vorgesehene Selbstprüfung vorzunehmen. (Vergleiche 1. Korinther 11,20ff.)
– Die Aufsicht wird erschwert und damit die Würde der Mahlfeier gefährdet.
– Durch die – langfristig entstehende – Macht der Gewohnheit wird der Bekenntnischarakter der Feier beeinträchtigt.
– Es handelt sich um eine Modeerscheinung („Jahrhundert des Kindes“!), hinter der gar kein echtes Bedürfnis steckt. 

1) Erwin Liebert, Kinder-Kirche-Abendmahl. Über Zulassung von Kindern zum Abendmahl, Peter Karner Hg., Aktuelle Reihe Nr. 13, Wien 1978.

Von Erwin Liebert
(aus: Reformiertes Kirchenblatt Jg. 66, H. 4 (April 1989)