Arcimboldo
Arcimboldo

Calvin mit Fischmaul? Diese wenig schmeichelhaft Darstellung eines Juristen verdient Aufmerksamkeit: Ein gerupftes Küken als Nase, eine Geflügelkeule als Wange, ein Hühnerauge als scharfsinniges Sehorgan sowie ein Fischmaul als Mund und eine Forelle als Unterkiefer. Mit solchen Ingredienzien werden die Gesichtszüge der Person angedeutet. Die spezifische Berufsgattung verrät zum einen das für die Renaissance typische Gelehrtenkäppi, zum anderen der gesamte Leib des Mannes: Manuskriptblätter bilden den Hals, der pelzbesetzte Mantel kündet von Reichtum und der Bauch des Wohlstands wird durch Bücher ausgefüllt – Klassiker der Rechtswissenschaft.

Lange Zeit ging man davon aus, dass es sich bei diesem Bild um eine Karikatur des Reformators Johannes Calvin (1509–1564) handelt.

Doch warum sollte Archimboldo gerade den Genfer Reformator für seine groteske Parodie ausgewählt haben? Die Quellen schweigen darüber. Archimboldo folgte im Jahr 1562 dem Ruf Maximilians II. an den Wiener Hof. Dort fand gerade ein erbitterter Vater Sohn Konflikt sein Ende. Der Vater Kaiser Ferdinand I., war ein erzkonservativer Katholik. Der Sohn, Maximilian II., stand kurz vor seiner Thronbesteigung und war eher durch seine Sympathien gegenüber evangelischem Gedankengut aufgefallen. Und genau in jene Zeit der Streitigkeiten, Wirren und Toleranzlösungen fällt die Karikatur Archimboldos.

Heute weiß man die Entstehungsgeschichte des Bildes besser, und wie so oft liegt die Wahrheit doch direkt vor Augen. Das Bild stellt nämlich den Hofjuristen und Vizekanzler des Kaisers dar, Johann Ulrich Zasius. Dessen Gesicht war durch einen Unfall mit einer Pferdekutsche entstellt worden. Und Archimboldo, der scheinbar wie so viele Menschen besonders vom Ungewöhnlichen fasziniert war, beging eigentlich einen Tabubruch der Etikette, indem er sich über dessen Aussehen auf künstlerische Weise lustig machte. Bei Hof soll das Bild jedenfalls für Belustigung gesorgt haben.

Irmi Langer