So seltsam es klingen mag, der Bauunternehmer Wilhelm Beetz war ein Leben lang von einer Idee besessen: Für die moderne Großstadt wollte er moderne Sanitäranlagen bauen, und zwar sowohl für den privaten Bereich als auch für den öffentlichen. Paris hatte bereits seit der Französischen Revolution von 1789 »öffentliche Bedürfnisanstalten« und »Pissoirs«. In Wien herrschten jedoch noch in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts skandalöse Zustände.

Bis 1860 war das »öffentliche Scheissen und Brunzen« in Wien eine schreckliche Angelegenheit. Sogenannte »Buttenmänner« bzw. »Buttenfrauen« zogen mit einem Holzeimer und einem weiten Mantel durch die Straßen. Im Schutz des Mantels konnten Frauen und Männer unbeobachtet ihre Notdurft verrichten. Beetz erkannte die zukünftige Bedeutung sanitärer Einrichtungen und schloss 1883 mit dem Wiener Magistrat einen Vertrag, der von 1907 bis 1940 verlängert wurde. Er hatte für sein Projekt öffentlicher »Bedürfnisanstalten« keine Konkurrenten.

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Öffentliche Bedürfnisanstalt im Schlosspark von Schönbrunn. Aus Wikimedia Commons.

1889 wurde die erste Anlage bei der Börse in Betrieb genommen, weitere Orte folgten: Parkanlagen, Brücken, die Ringstraße und Plätze der Innenstadt. Nach Berliner Vorbild waren die Anlagen zuerst aus Holz, dann aus »eleganterem« Eisen. Was Beetz nicht vorausgesehen hatte, war die Folge seiner Innovation: die »öffentlichen Häuseln« leisteten zum Stadtbild Wiens einen nicht zu übersehenden Beitrag. Überall in den Parkanlagen standen wie kleine grüne Pavillons die mit großer Erleichterung erblickten leuchtend grünen Pissoirs. Auch die eisernen Voll-Klos boten einen Erleichterung verheißenden Anblick. Für den »bürgerlichen Schiss« gab es geradezu luxuriös eingerichtete Kabinen 1. Klasse.

Bald ließ Beetz auch unterirdische Bedürfnisanstalten bauen, u.a. die prachtvolle Jugendstiltoilette 1904/05 am Wiener Graben. Hier kann der Benützer bis heute das berühmte »Öluri- noir« aufsuchen, das Beetz, unzählige Patente und Weltruhm eingebracht hat: Es kam nahezu ohne Wasser aus und stank nicht. Vife Gymnasiasten haben über die Jahrzehnte die Aufschrift über den Pisszellen im Hexameter bewundert: »Patent Ölürinoir ohne Wasserspülung geruchlos.« Beetz wurde der internationale Sanitärfachmann. Zu seinen Geschäftspartnern gehörten Firmen in fast allen europäischen Hauptstädten sowie in der Türkei, Brasilien, Mexiko und Afrika. Im Jahr 2000 gab es in Wien noch 49 Toilettenanlagen der Firma Beetz, davon 29 Bedürfnisanstalten inklusive vier unterirdische, und 20 Pissoirs. 1939 waren es 112, davon sieben unterirdische, und 117 Pissoirs.

Von Beetz kann mit Recht behauptet werden: Er hat Wien erleichtert.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 35.