Girardi begann als junger Buffo und entwickelte sich rasch zum genialen Charakterdarsteller Raimund‘scher Gestalten wie Valentin und Fortunatus Wurzel. Er war die Leitfigur für die Operette und das volkstümliche Drama seiner Zeit. Viele nennen ihn das Theatergenie seiner Zeit.

Am 24.5.1887 sang Girardi das erste Mal auf einem Praterfest der Fürstin Metternich das Fiakerlied. Aber auch das kritische Wienerlied hat er seinen zahllosen Wiener Verehrern nicht erspart:

»Pfürl. di Gott du alte Zeit«
Die Christen, die Türken, der Jud’und der Heid’
habn glebt mitananda in Wien lange Zeit.
In Fried und Eintracht, ka Ausnahm hats gebn,
denn jeder hats Recht doch zum Leben.
Auf d’ Gastfreundschaft warn immer stolz d’ Weanaleut,
man hat viel drauf ghalten, in der uralten Zeit.
Auf amal, ja san denn die Menschen verlorn,
is alles ganz anderster wordn.
Der eine will den nicht, der den nicht herin,
verschwunden is Friede und Eintracht in Wien.
O du alter Stefansturm
O du blauer Donaustrand, ist denn das net mehr das Wien ?
Dort wo unsere Wiege stand, von einer Gmütlichkeit ka Spur,
wo man hinschaut, sicht man nur, andere Gsichter,
andere Leut, pfürt di Gott die edle Zeit.

(Wiener Walzerlied/ Text und Musik von Carl Lorens (1851-1909))

Mit triumphalen Erfolgen kreierte er alle Komikerrollen in den Operetten von Strauss (etwa den Frosch), Millöcker, Eysler, Lehár. Er spielte aber auch mit großem Erfolg Carl Karlweis’ »Das liebe Ich«, »Onkel Toni«, Hermann Bahrs »Der Athlet, und Jean Richepins »Landstreicher«. Ohne dramatischen oder Gesangsunterricht genommen zu haben, debütierte er in Nestroys »Tritsch Tratsch« am Sommertheater in Rohitsch-Sauerbrunn. Über Krems, Karlsbad und Bad Ischl kam er schließlich an das neueröffnete Stampfer-Theater (Tuchlauben 12, 1871-1874) nach Wien. Mit Josefine Gallmeyer und Felix Schweighofer erwarb er sich rasch die Liebe des Publikums.

Rollenbildnis als „Aschenmann“ in „Der Bauer als Milionär“.   Atelier Madame d’Ora, 1918.
Aus Bildarchiv Austria, ÖNB

Im Theater an der Wien feierte er 1896 große Triumphe. 1896/97 spielte er im Carl-Theater, 1898-1900 als Charakterdarsteller im Wiener (Deutschen) Volkstheater: Dann ging er als Gaststar ans Raimund– und Stadttheater, später nach Berlin, Hamburg und Dresden. Zwei Monate vor seinem Tod debütierte er am Wiener Burgtheater als Fortunatas Wurzel in Raimunds »Der Bauer als Millionär«. Mit seinem Lied vom Abschied der Jugend (»Brüderlein fein«) erschütterte er das Publikum zuliefst.

Auf Girardi selbst soll angeblich der nach ihm benannte Rostbraten zurückgehen: Da Girardi als Gemüseliebhaber bekannt war, soll eines Tages die Schauspielerin Katharina Schratt versucht haben, die Vorlieben ihrer beiden Gäste Girardi und Kaiser Franz Joseph (der Rindfleisch bevorzugte) »unter einen Hut zu bringen«. Sie wies die Köchin an, das Rindfleisch mit Gemüse zu bedecken, sodass vom Fleisch nichts mehr zu sehen war – der »Girardi-Rostbraten« war erfunden.

Girardi selbst sorgte auch für die Popularität eines flachen Strohhuts mit gerader Krempe, den er mit Vorliebe trug. Dieser Hut wurde später unter der Bezeichnung »Girardi-Hut« bekannt. Sein typischer Wiener Charakter ist der Inhalt vieler Anekdoten. Als er ans Burgtheater engagiert wurde, entschuldigte sich der Direktor, er könne ihm wegen der schlechten Zeiten keine Gage zahlen, die einem Star wie ihm eigentlich gebühre. Da antwortete Girardi: »Machen S‘ Ihnen nix draus, Herr Direktor, goldene Nockerln kann i sowieso net essen!«

Oder, wenn er seinen Hausarzt anpries: »Wissen S‘, ich hab einen wunderbaren Hausarzt. Wann i krank bin, lass ich ihn kommen. Dann setzt er sich an mein Bett, wir plauschen ein Stünderl miteinanda; dann verschreibt er mir a Pulverl, das i net nimm, und am nächsten Tag bin i wieda pumperlgsund.«

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 74 – 76.