Über 400Jahre mussten die Protestanten in Österreich bis zur Eigenständigkeit der Evangelischen Kirche in Österreich warten. Bruno Pittermann ebnete die Wege in seiner eigenen Partei und war maßgeblich daran beteiligt, dass 1961 unter zähen Verhandlungen mit dem Unterrichtsminister Heinrich Drimmel die Regelung des Verhältnisses zum Staat durch das »Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche« (vom 6.Juli 1961, BGBl. Nr. 182/61) – auch Protestantengesetz genannt – zustande kam. Ab diesem Tag konnte die Evangelische Kirche in Entsprechung mit dem Staatsgrundgesetz ihre Angelegenheiten selbst regeln. Die Kirche und ihre rechtsfähigen Einrichtungen genießen seither den Charakter einer »Körperschaft öffentlichen Rechtes«. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat unter der prinzipiellen Eigenständigkeit der Kirche war geregelt. Minister Drimmel beschrieb es mit den beiden Sätzen »Freie Kirche im freien Staat« und »Nicht Vermischung und nicht Trennung«.

Als Abgeordneter zum Nationalrat bereitete Pillermann seine Reden genau vor und sprach dann frei und temperamentvoll. Bald zum Obmann der Parlamentsfraktion befördert, lieferte er sich mit Hermann Withalm, dem Klubobmann der ÖVP und kongenialen Gegner, hitzige Rededuelle. Nach der Wahl Adolf Schärfs zum Bundespräsidenten wurde er am 8. Mai 1957 zum Vorsitzenden der SPÖ gewählt und zwei Wochen später als Vizekanzler der Koalitionsregierung ÖVP-SPÖ angelobt. Er hatte großen Anteil an dem 1958 beschlossenen neuen Parteiprogramm, das das umstrittene Linzer Programm von 1926 ersetzte, und einen teilweisen Bruch mit dem Austromarxismus vollzog.

Pittermann war als Vizekanzler unter den Bundeskanzlern Julius Raab und Josef Klaus für die Verstaatlichte Industrie verantwortlich, innerparteilich erwuchs ihm in Franz Olah, dem einflussreichen Präsidenten des ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) ein engagierter Gegner: Die Olah-Krise erschütterte die SPÖ.

Bei der Nationalratswahl am 6. März 1966 errang die ÖVP die absolute Mehrheit. Olahs »Demokratische Fortschrittliche Partei« hatte den Sozialisten geschadet, die sich außerdem von einer Wahlempfehlung der Kommunisten nicht eindeutig genug distanziert hatten. Einige Wochen nach der Wahl führte Pittermann die SPÖ in die Opposition, da die Verhandlungen über eine neue Große Koalition an sehr unterschiedlichen Reformplänen gescheitert waren. Infolge dieser Wahlniederlage musste er 1967 als SPÖ-Chef Bruno Kreisky weichen. Erst nach einigen Jahren unterstützte Pittermann ihn, als er als Klubobmann ins Parlament zurückkehrte. Nach Installierung des Kabinetts – so wird erzählt – meinte der neue Kanzler Kreisky einem Besucher gegenüber: »Ich hab dem Pittermann gesagt, dass er mit dem sozialistischen Parlamentsklub alles tun darf, was er will – nur nicht aus Gewohnheit wie bisher gegen die Regierung Opposition machen.«

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 122-123.