Von Gustav REINGRABNER

Kaiser Joseph II. hatte für die nach dem Toleranzpatent auf dem Boden des heutigen Österreich (ohne Burgenland) entstandenen Gemeinden zwei Superintendenzen eingerichtet. Dem Wiener Superintendenten war die Aufsicht über die Gemeinden in Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten und den Küstenländern aufgetragen, die Gemeinden in den westlichen Ländern unterstanden der Aufsicht des oberösterreichischen Superintendenten. Diese Superintendenten übten ihr Amt als landesfürstliche Beauftragte aus. Sie sollten also in Verbindung mit dem jeweiligen Kreisamt dafür sorgen, dass k.k. Jura in den evangelischen Gemeinden wahrgenommen wurden. Daneben hatten sie freilich auch unmittelbar geistliche Aufgaben, wie etwa die Prüfung und Ordination der Pfarrer. Die Visitationen hingegen nahmen sie sowohl als Teil ihrer geistlichen Aufgabe wie als landesfürstliche Beauftragte im Kirchenwesen wahr. Und bei alledem übten sie ihre Funktion neben ihrer Aufgabe als Pfarrer in einer Gemeinde aus. So war ihr Aufgabenbereich nicht gering. Die Hindernisse, die sie vorfanden, waren auch nicht klein. Sie standen gewissermaßen zwischen zwei Feuern, sollten sie doch der Öffentlichkeit und dem Staat gegenüber die Meinung der Protestanten zum Ausdruck bringen und andererseits den Pfarrern und Gemeinden gegenüber die landesfürstliche Position wahrnehmen. Dass diese Doppelstellung in der Regierungszeit Franz‘ I. und Ferdinands I., die beide den Protestanten nicht wohl gesonnen waren, nicht einfach war, ist wohl einzusehen. Erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts änderten sich die Verhältnisse. Der Superintendent wurde nicht mehr vom Kaiser ernannt, sondern durch das Vertrauen der Gemeinde und ihrer Vertreter in sein Amt gewählt. Eine solche Veränderung machte die Position der Superintendenten doch einfacher, außerdem vermochten die nun im Amt befindlichen von der Veränderung im allgemeinen geistigen Klima zu profitieren. Nicht zuletzt heimsten sie aber auch Früchte der Vorgänger ein. Derjenige, der in der Superintendenz Oberösterreich als erster in den Genuss dieser Möglichkeit kam, war Erich Sääf. Er stammte aus einer in Bielitz ansässig gewordenen Färberfamilie, die dorthin aus Schweden gezogen war. So besuchte der 1803 geborene Erich das Gymnasium in Vestaran und studierte in Uppsala Theologie. Dieses Studium vollendete er 1828 in Wien und wurde 1830 als Pfarrer nach Scharten berufen. Scharten war auch die Gemeinde des ersten oberösterreichischen Superintendenten nach dem Toleranzpatent, Johann Christian Thielisch, gewesen. Sääf gehörte zu den Pfarrern, die ihren Dienst ohne großes Aufsehen versahen. Er galt als aufrichtiger und bescheidener Mann, als pünktlich in seinen Amtsgeschäften und ohne Neigung zu Hochmut und Besonderheiten. So war er auch trotz seiner Funktion als Superintendent nicht derjenige, der in seiner eigenen Gemeinde für weitwirkende Entwicklungen sorgte bzw. auch nur im Stand war, Bestehendes unter Schwierigkeiten aufrecht zu erhalten.

Sääf wurde im Jahr 1856 zum Superintendenten ernannt und führte dieses Amt auch nach Erteilung des Protestantenpatentes (1861) weiter. Dieses Protestantenpatent führte auch dazu, dass die Diözese Oberösterreich in zwei Seniorate unterteilt wurde. Zum Oberländer Seniorat gehörten auch die sich nun allmählich in Salzburg und Tirol bildenden Gemeinden, während das Unterländer Seniorat vor allem von den im Alpenvorland bestehenden Gemeinden gebildet wurde. Durch die Errichtung der Seniorate entfiel die eine oder andere Verwaltungsaufgabe, die bisher dem Superintendenten zugeordnet war. So konnte sich angesichts der positiven Entwicklung der äußeren Position des österreichischen Protestantismus die Aufgabe des Superintendenten stärker auf Repräsentation beschränken.

In die Amtszeit Sääfs fiel auch die Erlassung des Staatsgrundgesetzes 1867, in dem die Gleichberechtigung aller Bürger, unbeschadet der Konfessionszugehörigkeit, deklariert wurde sowie die Erlassung des interkonfessionellen Gesetzes, das definitiv die Gleichbehandlung der Kirchen garantierte.

Trotz dieser äußerlich günstigen Entwicklung stieg die Seelenzahl der Diözese kaum an, sie überschritt während der ganzen Amtszeit von Sääf nicht wesentlich die Zahl von 16.000. Schuld daran war eine zur Zeit recht starke Auswanderungsbewegung aus den dichter bevölkerten Gebieten des Berglandes. In manchen Fällen, wie in den aus dem Salzkammergut in den Kaukasus auswandernden Familien, waren sogar unmittelbar religiöse Motive (Gedanken des Königreiches Christi) wirksam.

Hatten die interkonfessionellen Gesetze eine Verbesserung der Situation der österreichischen Protestanten bewirkt, so ergab sich aus dem Reichsvolksschulgesetz von 1869 eine schwere Beeinträchtigung derselben, galten die evangelischen Schulen doch nunmehr als Privatschulen, für deren Erhaltung die Kirchengemeinde, also die evangelischen Gemeindeglieder, allein aufzukommen hatten. Viele evangelische Schulen wurden damals geschlossen, und auch in der Gemeinde Scharten kam es zu einem Kampf, ob die Schule weitergeführt werden konnte. Sääf und der Kurator, der Bauer und Gutsbesitzer Philipp Brunner, vermochten die Auseinandersetzungen zu beenden und die Schule weiter zu erhalten. Sääf hatte jedoch keine Möglichkeit, in anderen Gemeinden für eine Weiterführung der evangelischen Schulen irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen.

Im Jahr 1873 wurde die langjährige Tätigkeit Sääfs als Superintendent, entsprechend einem üblich gewordenen Brauch, durch die Verleihung einer Auszeichnung anerkannt. Nicht herausragende Taten, sondern die Tatsache, dass Sääf siebzehn Jahre im Amt stand, war die Ursache dieser Anerkennung. Der Kaiser verlieh dem Superintendenten den Orden des Eisernen Kreuzes Dritter Klasse. Mit diesem Orden war damals automatisch die Verleihung des Adelsstandes verbunden; die Dritte Klasse brachte den Ritterstand ein. Mit Rücksicht auf seine Herkunft aus Schweden erbat Sääf das Adelsprädikat „Ritter von Norden“. Er zählt zu den ersten Vertretern der evangelischen Kirche, die aufgrund ihrer Tätigkeit in ihrer Kirche eine solche Ehrung erfahren hatten. Daran kann auch die Veränderung und Entwicklung der Position des österreichischen Protestantismus erkannt werden.

Da es keine Bestimmungen über die Pension von Pfarrern gab und die Möglichkeiten der Bezahlung eines Ruhegenusses relativ gering waren, blieb Sääf in seinem Amt bis zu seinem am 16. Mai 1880 in Scharten erfolgten Tode. Mit ihm starb sicher keine starke Persönlichkeit und niemand, der in aufsehenerregender Weise seinen Dienst als Prediger des Evangeliums versehen hatte, aber einer von vielen „Dienern am göttlichen Wort“, die, so gut sie konnten, ihren Auftrag zu erfüllen suchten und dabei auch ein Stück an dem lebendigen Dom bauten.

 

Aus: Glaube und Heimat 1985, S.38-39.