Was ein „Weanerherz“ fühlt, quält und was ihm Lust bereitet, wusste Ernst Arnold genau. Wer solche Voraussetzungen mitbringt, musste die Herzen der Wiener erobern. Ernst Arnold war einer der bekanntesten Wienerliedsinger. Aber nicht nur als Interpret war er berühmt, auch als Texter und Komponist. Er schuf an die 800 Lieder, darunter Welterfolge wie „Da draußen in der Wachau“ und „Du, nur du“. Viele seiner Lieder werden heute noch beim Heurigen gesungen – und selbstverständlich können die Leute den Text auswendig, z. B. „Beim Burgtor am Michaelerplatz“, „I waß an Wein“, „Wenn dich die Menschen auch kränken“ – und eines der meist gesungenen Wienerlieder überhaupt: „Wenn der Herrgott net will, nutzt es gar nix …“ – für die Calvinisten (evang. H. B.) ein populäres Lied über die Prädestination. Dass alles irgendwie vorherbestimmt sei, davon sind ja die meisten Wiener bis heule überzeugt, aber Arnolds Lied bindet die Vorherbestimmung gut biblisch an Gott an und nicht an ein blindes Schicksal!

Künstlernamen haben sie sich zugelegt, die Brüder Ernst und Fritz Jeschkc, nämlich Ernst Arnold und Fritz Imhoff. 1917 komponierte Ernst sein erstes Couplet, 1920 seine ersten Weltererfolge. 1924 sang Arnold als Erster im Radio und erlangte große Popularität. Auch als Vortragskünstler und Conférencier war er sehr begehrt. Natürlich besang er die typischen Inhalte dieses Genres. Nach dem Zweite» Weltkrieg waren seine Lieder hochaktuell und ein Zeichen von Vergangenheitsbewältigung, aber auch von neuer Hoffnung. So sang er gegen die Überschwemmung durch amerikanische »Kultur«:

Für das Wienertum zu Kämpfen ist daher mein schönstes Ziel
Und ich bin und bleib ein Wiener, mag da kommen, auch was will!
Da wir wieder neu beginnen soll ein Jeder sich besinnen
Auf die große Tradition vom Österreicher–Land!
Wiener Kunst, die ist uns lieber als wie das “Hey babariba“
Solche Lieder sind für Wien nur eine Schand!
Jawohl!

Besonders lag ihm der Wiederaufbau der zu 16 Prozent zerstörten Stadt am Herzen:

Wien, du trägst heut ein Bettlerkleid,
So wie fast alle Wienerleut.
Und warst doch einst die Kaiserstadt,
Die viel Glanz gesehen hat.
Das ist dahin …

Auch der Staatsvertrag, bis 1955 ein Dauerbrenner bei allen Kabarettisten, kam bei ihm vor:

Den Staatvertrag, den krieg’n ma – klar!
Man spricht darüber schon.
Wir warten höchstens noch drei Jahr, der rennt uns net davon.

Arnold genierte sich auch nicht, auf das »Sieg, Heile«-Gebrüll der Wiener auf dem Heldenplatz beim Einzug Hitlers 1938 anzuspielen:

Erzherzog Karl und den Prinz Eugen
Sieht man am herrlichen Heldenplatz stehn.
Der einst gepflegt war und aus diesem Grund
Musst an der Leine gehen dort jeder Hund.
Aber die Menschen, die durften frei laufen,
Aufmärsche gab’s dort in Massen und Haufen …
Und was die Menschen aus dem Platz gemacht
Hätten die Hunde nie fertig gebracht.

Und auch das zwangsläufig »babylonische-Nachkriegs-Wien war ein Thema:

Wien ist eingeteilt jetzt in vier Zonen,
Können Sie mir sag’n, wo werd ich wohnen?
Was ist eigentlich mit mir jetzt los?
Bin ich englisch oder ein Franzos ? 1 waß net!
Wirklich schwer hat ’s heute unseraner,
Is‘ man Russ oder Amerikaner?
Und das Eine ich gern wissen tät:
Ob man in Wien heut wienerisch noch red ‚t
’s ist blöd!

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 29–30.