Bis vor kurzem galt es – mindestens bei bestimmten Forschern – als absolut ausgemacht, daß die im 16. Jahrhundert im heutigen Burgenland (und den benachbarten Gebieten) angesiedelten Kroaten ausschließlich und stets katholisch geblieben seien. Und dann erkannte man, daß die beiden ältesten Bücher, die im heutigen Burgenland in kroatischer Sprache gedruckt worden sind, evangelische Gesangsbücher waren. Ihr Verfasser beziehungsweise Herausgeber war an dem Ort Pfarrer, an dem der Drucker Imre Farkas seine Offizin aufgeschlagen hatte, in Deutschkreutz. Man hat wohl vorher schon von Pfarrer Gregor Pythiraeus gewußt, weil er zwischen 1591 und 1610 in verschiedenen evangelischen Synodenprotokollen genannt wird. Man hat aber nicht gewußt, daß er Kroate war und für die evangelische Bewegung unter seinen Landsleuten, wie schwach sie immer auch gewesen sein mag, zwei Liederbücher drucken ließ. Es ist nicht bekannt, woher Pythiraeus „kroatisch Mekinic, Pfarrer von Deutschkreutz bei Ödenburg“, stammt. Eine Vermutung, daß er schon 1534 als Student in Wien eingetragen ist (Universitätsmatrikel), scheint wenig wahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß sein Todestag mit 4. März 1617 eindeutig feststeht, weil seine Witwe den Stadtrat von Ödenburg zu dem am 6. März 1617 in Deutschkreutz stattfindenden Begräbnis geziemend eingeladen hat. Selbst wenn er schon als Zwölfjähriger an die Alma Mater Rudolfina gekommen wäre, hätte er ein Lebensalter von 95 Jahren erreicht – dem steht auch der Wortlaut des Briefes seiner Witwe entgegen.

Mekinic-Pythiraeus erscheint also 1591; er nimmt damals als Pfarrer von Steinberg an dem Religionsgespräch von Csepreg teil, das eine theologische Einigung über verschiedenen Kontroversthemen zwischen Evangelischen und Reformierten bringen sollte. 1596 unterschreibt er die lutherischen Bekenntnisschriften schon als Pfarrer in Deutschkreutz – die Trennung zwischen den beiden protestantischen Konfessionen war nun auch in Westungarn in vollem Gange. In den nächsten Jahren wird Pythiraeus gelegentlich in Verbindung mit der seelisch schwer kranken Gattin des Herrschaftsbesitzers von Deutschkreutz, Elisabeth Nádasd geborene Báthory, genannt; er erscheint auch 1610 in ihrem Testament als Zeuge.

Im Jahre 1609 erschien sein erstes Gesangbuch „Geistliche Lieder, Psalmen und Danklieder von gottesfürchtigen, gelehrten Männern, aus der deutschen und aus der ungarischen Sprache gesammelt und nunmehr ins Kroatische übersetzt“. Die Widmung galt aber nicht Nádasdy oder dem Stadtrat von Ödenburg, sondern Nikolaus von Zrinyi, der auf seinen Besitzungen in systematischer Weise Kroaten angesiedelt hatte und selbst als besonderer Förderer des Protestantismus hervortrat. Das Büchlein enthielt 160 Lieder. Es erschien ohne Noten, vielleicht einfach deshalb, weil die Offizin des Deutschkreutzer Druckers keine Notenlettern besaß, vielleicht aber auch, weil in der Sangespraxis der Gemeinden die Noten nicht unbedingt notwendig waren und aus anderen Büchern genommen werden konnten.

Zwei Jahre später erschien dann ein „Zweites Buch der Geistlichen Lieder, Psalmen und Hymnen und Danklieder aus der Heiligen Schrift, aus Texten der Heiligen Väter und aus den Gebeten der weisen Schriftsteller schön zusammengestellt und niedergeschrieben“. Auch dieses Buch enthält wieder 140 Lieder, und zwar lediglich die Texte und keine Noten, ist aber zum Unterschied von dem ersten einspaltig gedruckt. Die Widmung erfolgt wieder an den Baron Zrinyi.

Möglicherweise hat Pythiraeus schon vor den beiden Liederbüchern einen Katechismus in Deutschkreutz drucken lassen, der anscheinend gegenüber den Werken von Dalmatin und Consul, die vor allem in Württemberg kroatische Schriften und Literatur drucken ließen, andersartig war.

Es ist ja die Frage, wieweit Stefan Consul, der in Kolnhof bei Ödenburg und dann in Eisenstadt Prediger war, Mekinic-Pythiraeus zu dessen Werken anregte. Die Lieder in den Büchern des Mekinic enthalten zwölf Übersetzungen nach Luther, dann nach Texten von Erasmus Alber, Nicolaus Hermann, Paul Speratus, Justus Jonas, Elisabeth Cruziger u. a., weiters etliche aus dem Ungarischen; dazu kamen noch eine Reihe von Liedern, die in älteren kroatischen Gesangbüchern gedruckt waren oder in der Kirche bekannt waren.

Wer das Unternehmen des Pythiraeus förderte, ist unbekannt – die Widmung an Zrinyi sagt ebenso wenig aus wie der Brief der Witwe an den Ödenburger Stadtrat. Immerhin war Deutschkreutz während der Zeit, da in Ödenburg selbst kein evangelischer Gottesdienst stattfinden konnte, der Ort, an dem sich die Evangelischen aus der Stadt zum Gottesdienst versammelten. Leonhard Binder war sogar von der Stadt Ödenburg eine Zeitlang in Deutschkreutz als Prediger unterhalten worden.

Daß aber Mekinic nicht allein stand, zeigen die lateinischen Widmungsgedichte zum zweiten Buch, die von dem Pfarrer von Sárvár und Senior Michael Zwonarich und von dem Csepreger Pfarrer Emmerich Zwonarich stammen. Ein gewisser Kreis von evangelischen Predigern hat also diese Arbeit mitgetragen.

Die Melodien waren die, nach denen die deutschen Texte der Lieder gesungen worden sind. Die Übersetzung wird von Fachleuten als einfühlsam, dem Charakter des Liedes entsprechend und gut bezeichnet.

So hat Mekinic versucht, die Botschaft des „reinen Evangeliums“ an die Kroaten in seiner Gemeinde und in den Orten (Pfarren) der Umgebung weiterzugeben, beziehungsweise konnte er in seinem Ort eine kroatische Gottesdienstgemeinde sammeln, deren Bekenntnis als evangelisch angesehen werden darf. Es ist bekannt, daß die Stadt Ödenburg neben dem Baron Zrinyi zu den Förderern der Reformation unter den westungarisch-burgenländischen Kroaten gehörte. Es ist auch aus anderen Orten etwas von Gemeindebildung unter den Kroatischen Siedlern überliefert; später aber sind dann diese Gemeinden entweder der Eindeutschung anheimgefallen, oder sie wurden durch die fortschreitende katholische Restauration und Gegenreformation wieder zum Katholizismus zurückgeführt; ein beträchtlicher Teil der Kroaten scheint sich aber stets der reformatorischen Bewegung verschlossen zu haben. Über die Gründe kann man rätseln; sie einfach im Volkstum zu suchen erscheint abwegig. Und die Tatsache, daß die Kroaten ihre Pfarrer wählen konnten, dürfte auch nicht ausreichen. Eher sind schon sozialgeschichtliche Vermutungen richtig, möglicherweise auch solche, die die Eigenart bestimmter Formen der Volksfrömmigkeit berücksichtigen, weil solche im Luthertum weniger Platz hatten und eher als unbiblisch ausgeschieden wurden, als im Katholizismus.

Das alles aber ändert nichts an dem Bemühen des Mekinic, als ein treuer Zeuge seines Herrn Jesus Christus zu wirken und, soweit es an ihm lag, auch das reine und unverfälschte Evangelium zu predigen. Die beiden Gesangbücher sind ein Zeugnis von diesem Bemühen; sie sind nicht nur ein wichtiges Denkmal kroatischer Sprache und Kultur aus dem heutigen Burgenland, sondern ein ebenso wichtiges Stück evangelischen Bekenntnisses und Glaubens, ein Teil der Geschichte dieser Kirche.

 

Gustav Reingrabner: Eine Wolke von Zeugen – Gregor Mekinic
Aus: Glaube und Heimat 1993, S. 34-36.