Es gibt kaum einen Antiquariatskatalog, der nicht ihre Bücher anbietet. Sie hat als Kunsthistorikerin, Schriftstellerin und empfindsame Erzählerin ein umfangreiches und eindrucksvolles schriftstellerisches Werk hinterlassen. Um Objektivität bemühte Biografinnen und Biografen meinen manchmal, ihre Sprache sei etwas antiquiert, aber das ist ein Missverständnis. Mit ihrem ersten Bucherfolg »Zwischen gestern und heute. Wanderungen durch Wien und den Wienerwald« 1911 lieferte Cloeter keine objektiven Standortbeschreibungen. Sie bezog gerne die jahreszeitliche Stimmung mit ein und schilderte nichts, das sie nicht selbst ergründet und erlebt hatte. Sie beschwor die Atmosphäre früherer Zeiten herauf und fügte kleine persönliche oder breit angelegte biografische Elemente ein. Besonders hatte es ihr die Stadtentwicklung angetan. Die Veränderungen des Stadtbildes recherchierte sie sehr genau, wobei auch die Wut bzw. der Ärger der Wien-Liebhaberin spürbar wird: der Ärger darüber, dass viele schöne und wertvolle Gebäude der Stadt nicht durch Kriege, sondern durch die Spekulation der »Hausherren« verloren gegangen waren. So animierte sie der Abriss des Trattnerhofs 1911 zu einem eigenen Buch: »Johann Thomas Trattner. Ein Großunternehmer im Theresianischen Wien« (1911-1939). Aber auch in den Feuilleton artig geschriebenen Büchern »Donauromantik«, 1923, »Beglücktes Wandern«, 1947, und »Wiener Gedenkblätter«, 1966, merkt man etwas von ihrem widerständigen Geist.

Sehr ausführlich beschäftigte sie sich mit »Mozart in Wien«, vor allem mit dem »Mozartgrab« auf dem St. Marxer Friedhof. Der Brief eines bis dato unbekannten Verwandten reizte sie dazu, ihre eigene Familiengeschichte, die Geschichte einer großen Hugenottenfamilie zu schreiben: »Verklungenes Leben. Die Geschichte der Familie Cloeter im Spiegel der Zeiten«, 1969.

Ein Gustostückerl ist Cloeters Schilderung der Freundschaft ihres Vorfahren, des Unternehmers Johann Gottfried Cloeter (1741-1822) mit dem deutschen Dichter Jean Paul. Cloeters deutschnationale Begeisterung rund um das Wartburgfest 1817 ist für heutige Reformierte nicht mehr nachvollziehbar. Wie man evangelische Geschichte Leuten mit Herz und Hirn darbieten kann, zeigt sie in ihrem kulturhistorisch bedeutsamen Buch »Donauromantik. Tagebuchblätter und Skizzen aus der goldenen Wachau«. Da wird sogar die Chyträusagende, deren Konfirmationsteil der reformierte Pfarrer Reuter bearbeitet hat, zum interessanten Thema. Sie kam von München 1880 nach Wien und studierte Kunstgeschichte, Musik und Gesang. Von 1907 bis 1939 schrieb sie für das Feuilleton der Neuen Freien Presse, bei der sie bis 1939 ständige Mitarbeiterin war. Ausführliche Studien betrieb sie über Goethe. Studienreisen führten sie durch die Hauptstädte Europas. Cloeter bekam viele Auszeichnungen: den Ebner-Eschen bach-Preis 1919, die Ehren münze 1944 und die Ehrenmedaille in Silber der Stadt Wien 1969, den Titel »Professor« 1954, die Mozart-Medaille 1958, das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse 1964, dazu die Ehrenmitgliedschaft mehrerer kultureller Vereine.

Ihr umfangreicher Nachlass wurde von ihrem Neffen Christoph Cloeter sorgfältig geordnet, indiziert und der österreichischen Akademie der Wissenschaften übergeben. Ein Teil davon wird in der Handschriftensammlung der Nationalbibliothek aufbewahrt und ist zugänglich. Auch die Bibliothek der Reformierten Pfarrgemeinde Wien-Innere Stadt besitzt ihr Gesamtwerk.

Nachleben:
Hermine-Cloeter-Gasse im 14. Bezirk Gedenktafel an Cloeters Wohnhaus im 4. Bezirk, Schaumburgergasse 6.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 52–53.