Der Großindustrielle und Bankier Johann Reichsgraf von Fries und seine Nachkommen zählen zu den glänzendsten Familien der Wiener Reformierten Gemeinde. Johann Fries, aus einem alten Schweizer Patriziergeschlecht stammend, wurde 1719 in Mühlhausen geboren. 1744 bis 1748 – während des österreichischen Erbfolgekriegs – arbeitete er als Kommis im »Englischen Kommissariat«, das für die Übernahme der Subsidiengelder (Hilfsgelder) und die Verpflegung der alliierten Truppen zu sorgen hatte. Als in Folge des Aachener Friedens 1748 ein 100.000 Pfund hoher Rückstand an englischen Subsidiengeldern entstanden war, dessen Bezahlung man in England in Frage stellte, wurde Fries von Wenzel Graf Kaunitz zur Regelung dieser heiklen Angelegenheit nach London entsandt und er konnte tatsächlich den restlichen Betrag nach Wien bringen – schon damals wurde ihm angetragen, in österreichische Dienste zu treten. 1751 gründete Fries eine Barchent– und Kotzenfabrik in Friedau und Rabenstein in Niederösterreich. 1752 wurde ihm taxfrei die Niederlagsfreiheit in Wien verliehen, im selben Jahr gründete er in Niederösterreich eine Messingfabrik – die »Nürnberger Messingfabrikation«. Ebenfalls 1752 übernahm er mit dem Händler Peter Togniola unentgeltlich die Direktion der k.k. Seidenfabriken und erhielt den Titel Kommerzialrat. Nach Auflösung des k.k. Seidenmagazins gründete er mit seinem Partner 1754 eine eigene Fabrik für Samt und Seidenwaren, die er später auf das »Schottenfeld« und den Neubau verlegte; eine Wollzeugfabrik in Böhmen folgte. 1752 brachte Fries auch eine seiner Schöpfungen heraus: den Maria-Theresien-Taler. Fries hatte das »Thalernegotium« 1778 inne, das sowohl dem Staat – damit wurde die österreichische Levante-Kriegsflotte aufgerüstet – als auch ihm hohen Gewinn brachte. Im siebenjährigen Krieg mit Preußen gab er dem Staat namhafte Geldvorschüsse. Fries kümmerte sich um die Übermittlung der französischen Subsidiengelder (1757-1767 waren es ca. 45 Millionen Gulden) und verwaltete sie für eine geheime Staatskriegskasse. 1759 übernahm er kostenlos die Verwaltung der Direktion des k. k. Bergwerks-Produkten-Verschleißes; 1770 begründete er einen schwunghaften Donau-Orient-Handel bis zur Krim. 1757 wurde er mit dem erblichen österreichischen Ritterstand samt dem Prädikat »Edler von« ausgezeichnet. Neuerliche namhafte Leistungen dem Staat gegenüber – seine Forderungen waren dabei immer eher gering – brachten ihm neue Ehrungen ein: 1762 wurde er Freiherr bzw. Reichsfreiherr, 1771 wurde er k.k. Hofrat, 1783 machte ihn Joseph II. zum Reichsgrafen. Zusammen mit Baron Gontard gründete er 1766 das Bankhaus Fries, jahrzehntelang das Herz seiner Unternehmungen, zu denen neben der Metallwarenerzeugung in Weißenbach in Niederösterreich viele andere Betriebe gehörten. Fries war ein geschäftstüchtiger Mann und holte aus seinen Unternehmen so viel wie möglich heraus.

Am 29.8.1764 heiratete Fries Anne d’Escherny, die aus einer reichen Hugenottenfamilie stammte, in Paris. Am 7.9.1765 wurde sein erster Sohn, Franz Josef Johannes, geboren und am selben Tag in der Stephanskirche »reformiert« getauft. Taufpaten waren Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II., vertreten durch den kaiserlichen Obristen Joannis von Krempel. Das war ein seltener Ausdruck der Wertschätzung der Monarchen für einen verdienten Calvinisten. Noch erstaunlicher ist die Taufe des Kindes eines Calvinisten im Stephansdom. Am 3.2.1767 wurde Ursula Margaretha Agnes Victoria Ludovica geboren und wieder in der Stephanskirche getauft. Unter den drei Taufpaten war der k. k. Kämmerer und Reichshofrat Ludwig Carl Graf von Dürckheim. Am 11.8.1769 wurde Anna Philippina Johanna Sophia geboren. Ihre Taufpaten waren Johann Jakob Edler von Gontard, Bankier, und ihr Onkel, der Pastor von Mühlhausen, Philipp Jakob Fried. Der zweite Sohn von Fries, Moritz Christian Johannes (I.) wurde am 6.5.1777 in der Stephanskirche getauft. Wieder hatte Fries prominente Paten für sein Kind: den k. k. Feldmarschall und damaligen Hof-Kriegsratspräsidenten Moritz Graf von Lacy, Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies und Träger des Großkreuzes des Militär-Maria-Theresien- Ordens, und Christina Gräfin von Dietrichstein, deren Mann das Amt des Oberst-Stallmeisters innehatte und zu den erklärten Lieblingen von Josef II. gehörte.

Fries ließ sich auf dem Josefsplatz um hohe Summen von Ferdinand von Hohenberg ein Palais (das heutige Palais Pallavicini) erbauen, das zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Wien wurde. Um die Qualität des Palais kam es zu einem heftigen Streit der Architekten, ähnlich wie nach der Fertigstellung der Reformierten Stadtkirche. Dahinter stand die Rivalität zwischen Nigelli und Hetzendorf von Hohenberg. Für die Reformierte Gemeinde (H.B.) war es natürlich von großer Bedeutung, den reichsten Mann seiner Zeit in ihrem ersten Vorsteherkollegium zu haben. Fries schenkte der Gemeinde zur Gründung 10.000 Gulden und hinterließ ihr ein Vermächtnis von 2.000 Gulden. Der Reichsgraf kam auf tragische Weise ums Leben. Am 19. Juni 1785 wurde er in seinem Schloss in Vöslau tot auf dem Teich schwimmend aufgefunden. Pfarrer Karl Wilhelm Hilchenbach hielt seine Grabrede. Die Familiengruft befindet sich in der Vöslauer Pfarrkirche.

Sein Sohn Josef Fries (1765-1788) war ebenfalls Kunstsammler. Auf einer Italienreise – bei der er Goethe kennenlernte – starb er in Rom am Fieber. Der Reformierten Gemeinde hinterließ er 1.000 Gulden.

Moritz Christian Johann Graf von Fries und seine Gattin Maria Theresia Josepha Prinzessin zu Hohenlohe Waldenburg-Schillingsfürst, um 1801, von Jean-Laurent Mosnier. Aus Wikimedia Commons

Dessen Bruder Moritz Graf von Fries (geb. 6.6.1777 Wien, gest.26.12.1826 Paris/F) konnte das Familienvermögen ausbauen und war einer der größten Kunstsammler und Mäzene seiner Zeit. Seine Bildergalerie enthielt 300 Meisterwerke, darunter Bilder von van Dyck, Raffael, Dürer, Rembrandt – dazu kamen 400.000 Kupferstiche und eine öffentlich zugängliche Bibliothek mit 16.000 Bänden, Skulpturen, Münzen, Mineralien und eine große Sammlung von Porträts und Materialien, die Johann Caspar Lavater für seine physiognomischen Werke benützte. Beethoven widmete ihm seine 7. Sinfonie.

In seinem Palais konzertierten Gluck, Haydn, Schubert und Mozart. Durch die Musik ergab sich auch eine langjährige Beziehung zwischen den Herren von Fries und Staatskanzler Kaunitz. Auf Dauer war aber auch dieses Riesenvermögen den Ansprüchen des Grafen nicht gewachsen. Das Bankhaus ging allmählich in andere Hände über, dann kam der Zusammenbruch. Rothschild hätte Fries noch retten können, wollte es aber nicht. Nach Moritz Fries’ Tod 1826 mussten seine Besitzungen und Sammlungen verkauft werden. Raimund soll in ihm das Vorbild für den »Verschwender« Flottwell gefunden haben. Das sollte nicht der einzige »Fall« unter den Finanzgrößen der Reformierten Gemeinde bleiben, hier geschah gleichsam eine Vorwegnahme des Schicksals der Ringstraßenbarone. Moritz von Fries starb am 26.12.1826 in Paris und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise neben der Familiengruft der d’Escherny begraben.

Moritz Graf Fries II. (1804-1887), der Sohn des »Verschwenders«, führte die Liquidation durch. Der k. k. Legationsrat konnte seiner Familie danach wieder eine gesicherte Existenz schaffen – sogar Schloss Vöslau konnte er zurückkaufen. Gerade er, der Millionärssohn, stellte sich 1848 mit Vehemenz auf die Seite des Proletariats. Er setzte eine Resolution durch, die für den arbeitsamsten Teil der Bevölkerung Hilfe forderte: »Ausgleichung seines Elends durch den Überfluss begünstigter Klassen … Der Gewinn, der sonst der Lohn der Arbeit war, hat sich von ihm losgerissen und ist auf die Mittel übergegangen, die sie in Bewegung setzten.« Graf Fries war Mitglied des Vorsteherkollegiums der Reformierten Gemeinde in Wien und ist später zur Katholischen Kirche übergetreten.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 68 – 70.