Am 24. August 1999 ist Oberkirchenrat Univ.-Prof. Dr. Johannes Dantine im Alter von 61 Jahren an einem Krebsleiden verstorben. Mit ihm verliert unsere Kirche einen ihrer bedeutendsten Theologen, Gestalter und Vordenker und einen ihrer profiliertesten Vertreter in der Öffentlichkeit.

Johannes Dantine wurde am 5. Juli 1938 in Wallern an der Trattnach geboren. Nach der Matura 1956 studierte er evangelische Theologie in Wien, Basel, Göttingen, Lausanne und Paris. 1965 wurde er in Göttingen mit einer Arbeit über die Prädestinationslehre bei Johannes Calvin und Theodor Beza zum Doktor der Theologie promoviert. Seine profunde Kenntnis der reformierten Tradition befähigte ihn als prononcierten Lutheraner hervorragend zur langjährigen Mitarbeit an den Leuenberger Lehrgesprächen. 1977 habilitierte er sich an der Universität Wien mit einer Arbeit über die heutige Relevanz der Lehre von den Merkmalen der Kirche, die unter dem für Dantines Lebenswerk programmatischen Titel „Die Kirche vor der Frage nach ihrer Wahrheit“ 1980 im Druck erschienen ist. Dann entwickelte er ein Verständnis von Kirche als Lernprozess und Lerngemeinschaft, das auch der Theologie als Aufgabe gestellt ist. Noch Anfang Juli dieses Jahres sprach Johannes Dantine in Budapest zum Thema ,,Die Bedeutung der Theologie in der säkularen Gesellschaft von morgen“. Dabei führte er aus, dass Theologie nur kommunikativ betrieben werden kann. Es ist ihre Aufgabe, Verständigung in Gang zu setzen und in Gang zu halten. Damit ist jedem Fundamentalismus eine Absage erteilt. Theologie muss gesellschaftsrelevant und wirklichkeitsoffen sein, sie tritt ein für das Freiheitsthema und einen rationalen, verständigen Umgang mit der Irrationalität des je eigenen Glaubens.

Dieses Verständnis von Theologie und Kirche entwickelte er in seiner intensiven und facettenreichen kirchlichen Arbeit, die im Sinne seines Lehrers Karl Barth mit der Bibel in der einen und der Zeitung in der anderen Hand angelegt war. Sie begann mit seinem Lehrvikariat 1964 in Spittal an der Drau und durchzog seine Jahre als Pfarrer ab 1965 in Wien-Gumpendorf. Schon als junger Pfarrer hat er sich unermüdlich am kirchen- und gesellschaftspolitischen Geschehen kritisch beteiligt und seine theologische Reflexion über konkretes Engagement eingebracht. Sein Mitwirken in der österreichischen Jugendpolitik und im evangelischen Jugendwerk, in der Wiener Kommunal- und Drogenpolitik, in der Anti-Apartheids- und der Friedensbewegung, in der Evangelischen Akademie und in der Synode (seit 1984) verstand er immer in Verantwortung dafür, dass Kirche in der Gesellschaft wirklich Kirche ist“. Für dieses Anliegen entfaltete er auch ein breites publizistisches Wirken. Sein theologisches Urteilsvermögen und sein politischer Sachverstand prägten zuerst die Salzburger Gruppe und später die offizielle Kirchenpolitik. In Bewahrung und als Bewährung seiner gelebten und gelehrten kritischen Theologie wurde er 1990 zum geistlichen Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A. B. gewählt. In dieser hauptamtlichen KirchenIeitungsfunktion war er zuständig für Religionsunterricht und Bildung, für Ökumene und auswärtige Angelegenheiten sowie für die kirchlichen Werke und Vereine. Sowohl in der Evangelischen Akademie Wien (wo er zeitweise auch ehrenamtlicher Geschäftsführer war) als auch als zuständiger Oberkirchenrat setzte er sich für die kirchen- und religionssoziologische Forschung ebenso ein wie für einen für die evangelische Erwachsenenbildung typischen Dialog zwischen Kirche und Welt. Der war für ihn immer ökumenisch auf die gemeinsame Weltverantwortung aller Kirchen ausgerichtet. So hielt er als Pfarrer in den 70-er Jahren den Kontakt zum Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf aufrecht, während die damalige Kirchenleitung diesen vernachlässigte, und war als Oberkirchenrat im Vorstand des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich.

Johannes Dantine vereinte als Mitglied der Kirchenleitung und als Universitätsprofessor in seiner Person die beiden Dimensionen, die ihn auch in Zukunft zu einem klassischen ,,Lehrer der Kirche“ machen. Dabei war ihm von Anfang an wichtig, dass über die Wahrheit in der Kirche nicht autoritär entschieden werden kann. Das Gespräch, der Diskurs und auch der Streit waren seine bevorzugten Mittel der praktischen und theoretischen Kirchengestaltung. Gleichzeitig stand er immer für die Überzeugung, dass die Kirche kein Selbstzweck ist, sondern ihrem Auftrag nur dann gerecht wird, wenn sie die Botschaft des Evangeliums in den gesellschaftlichen Konflikten Gestalt werden lässt. Wie zur Bestätigung dessen war Johannes Dantine eine öffentlich bekannte und wirksame Persönlichkeit, dessen kritische Stimme in den Medien und auf Veranstaltungen der Zivilgesellschaft sowie quer durch die politischen Parteien Gehör fand. Unermüdlich und unbequem thematisierte er sozial- und wirtschaftspolitische Fragen und durchbrach Ausgrenzungen, zuletzt besonders die von Flüchtlingen und Homosexuellen. Sein Bekanntheitsgrad reichte über Österreich hinaus. Er war auch seit 1980 als erster Österreicher ständiger Mitarbeiter der traditionsreichen Zeitschrift „Junge Kirche“.

Johannes Dantine war als Mensch gekennzeichnet durch Freude am Leben, hohe Arbeitsmoral und ausgeprägten Familiensinn. Er war mit Lisette Dantine-Jordan verheiratet, die sein Wirken begleitet und unterstützt hat. Ihr unerwartet früher Tod im Dezember 1997 hat ihn sehr getroffen. Die drei Söhne Christoph, Daniel und Olivier haben nun in kurzer Zeit den Tod beider Eltern zu verkraften.

Sowohl für die Theologie wie für die Kirche ist es notwendig, dass sich Menschen mit ihrem je eigenen subjektiven Glauben einbringen. Johannes Dantine hat das getan, als er anlässlich seines 60. Geburtstages von der „Schönheit und Zerbrechlichkeit des Lebens“ sprach und als er – schon im Wissen um seine schwere Erkrankung – in seiner Osterpredigt in Wels ausführte, dass die Auferstehung Jesu eine Absage an die „Normalität des Todes“ darstellt.

Aus: Amtsblatt für die Evangelische Kirche in Österreich, Jahrgang 1999, 7./8. Stück, Seite 85-86.