Von Gustav REINGRABNER

Wenn auch der Protestantismus in den habsburgischen Ländern seine eigene Geschichte hat und durchaus charakteristische Züge an sich trägt, so stand er doch in reger Beziehung zu den evangelischen Landeskirchen in den deutschen Territorien. Diese Beziehung zeigte sich nicht nur in dem Austausch von Literatur und Büchern, in dem Besuch deutscher Universitäten durch Österreicher, sondern auch darin, dass eine ganze Anzahl von Predigern, die in Österreich und Ungarn tätig waren, aus den deutschen Ländern stammten, aber hier ihren Dienst durch eine Zeit lang versahen.

Einer dieser Prediger war der Württemberger Markus Zangmeister. Schon sein Vater war evangelischer Pfarrer in Zaisertshofen; er stammte aus einer bekannten Bürgerfamilie in Memmingen und hatte auch eine Bürgerstochter geheiratet. Als ihr Sohn kam am 3. Mai 1583 in Zaisertshofen der nach dem Vater benannte Markus zur Welt. Sein Vater, der ihn übrigens dann noch um drei Jahre überlebte, gab seinem Sohn eine sorgfältige Erziehung. Dieser besuchte die Lateinschule in Memmingen und Lauingen und begann im Jahre 1602 an der Universität Jena sein Studium. Nach der Disputation, die ihm den Titel „Magister“ einbrachte, wechselte er noch zweimal die Universität und studierte zunächst einmal ein Jahr in Wittenberg und dann noch einmal ein Jahr an der württembergischen Landesuniversität in Tübingen.

Sein Vater erblindete 1606, und so wurde Markus zunächst Nachfolger seines Vaters als Pfarrer von Zaisertshofen. Als solcher gründete er noch im Jahr 1606 durch die Ehe mit Anna Jakob seinen Hausstand; seine Braut war katholisch, sie trat vor der Eheschließung förmlich zum evangelischen Bekenntnis über; vermutlich war sie als Kammerzofe in adeligem Dienst gestanden, weil auch die Hochzeit auf Schloss Angelberg stattgefunden hat. Nach zehnjährigem Wirken in Zaisertshofen wurde Zangmeister vom Rat der Stadt Lindau am Bodensee als Pfarrer eingesetzt; dabei hatte der Rat das Einvernehmen mit den anderen in der Stadt tätigen evangelischen Geistlichen aber nicht hergestellt. So entstand von vornherein eine gewisse Missstimmung zwischen dem neu Berufenen und seinen Amtskollegen in der Stadt.

Zangmeister fühlte sich verpflichtet, das Wort Gottes unter starker Voransetzung der gesetzlichen Aspekte zu verkündigen. In seinen sprachlich meisterhaft geformten Predigten zog er gegen den Ungeist der Zeit und gegen die Leichtlebigkeit seiner Zeitgenossen zu Felde. Als ein Meister des Wortes geißelte er unbekümmert und mit beißendem Spott Fehler und Schwächen seiner Mitmenschen. Natürlich machte er sich damit in der Stadt keine Freunde. Die Zahl seiner Feinde wuchs, und er machte es ihnen leicht, seinen Sturz herbeizuführen. Durch seinen Starrsinn, den er selbst als Folge des in Gottes Wort geformten Gewissens bezeichnete, kam es dazu, dass er gegen Jahresende 1620 durch den Rat der Stadt Lindau seines Amtes enthoben wurde. Weil er sich diese Amtsentsetzung nicht gefallen ließ, sondern dagegen Sturm lief, wurde er einige Zeit später aus der Stadt ausgewiesen.

Er musste seine ganze Habe in der Stadt Lindau zurücklassen und lebte mit seiner Frau nun durch einige Zeit als „exul“, also ohne feste Stellung und ohne festen Wohnsitz. Diese Zeit nützte er aber, um in immer neuer Weise die Rechtmäßigkeit seiner Amtsentsetzung und seiner Ausweisung aus Lindau anzufechten. Dieser Rechtsstreit zog immer weitere Kreise und beschäftigte nicht nur den Herzog von Württemberg, sondern auch die kaiserlichen Behörden. Zangmeister beschäftigte aber nicht nur die verschiedenen Gerichte, sondern verfocht seinen Standpunkt auch in Spottgedichten und anderen grobianisch angehauchten Veröffentlichungen, in denen er den Standpunkt seiner Gegner zu untergraben suchte. Es ging ihm dabei vor allem darum, dass er behauptete, er sei in ein geistliches Amt eingesetzt, das er in Verantwortung vor Gott zu führen hätte und von dem er von Menschen nicht einfach wieder abgesetzt werden könne. Er konnte zwar vorübergehend nach Lindau zurückkehren, musste aber schließlich doch nachgeben. Am 31. Dezember 1623 verzichtete er auf sein Amt, leistete Abbitte wegen seiner Verunglimpfungen und beschwor, dass er in Zukunft Stillschweigen bewahren werde. Dafür gab die Stadt Lindau seinen beschlagnahmten Hausrat frei und beendete die gegen ihn geführten Prozesse. Seines Bleibens im Heimatland war aber nicht mehr länger. Er suchte nach einer neuen Wirkungsstätte.

Der Wiener Handelsmann Georg Schön, der anscheinend ein Bekannter von ihm war, stellte die Verbindung mit der Gräfin Batthyány her, die eine geborene Poppel-Lobkovitz war und sich in diesen Jahren ihrer Witwenschaft vor allem um das evangelische Kirchenministerium in Hernals annahm. Eva von Batthyány erklärte sich bereit, den aus Lindau ausgewanderten Markus Zangmeister als ihren Hofprediger nach Stadtschlaining zu nehmen. So kam 1624 Zangmeister in diesen westungarischen Ort, in dem damals eine blühende evangelische Gemeinde bestand. Er war einerseits Prediger der Gräfin, hatte aber andererseits auch die Seelsorge in der Bewohnerschaft des Ortes zu leisten, zu denen damals schon eine ganze Anzahl evangelischer Adeliger gekommen war, die ihre Heimat in Niederösterreich oder Steiermark verlassen hatten. Zangmeister vermochte in Stadtschlaining noch durch sechs Jahre zu wirken.

Von dieser Wirksamkeit kündet freilich kaum mehr etwas. Erst bei der letzten Renovierung der nunmehr katholischen Pfarrkirche von Stadtschlaining ist ein Grabstein gefunden worden, der für einen evangelischen Adeligen gesetzt wurde und aus der Zeit stammt, in der Zangmeister in Stadtschlaining war. Vielleicht werden weitere Renovierungsarbeiten an dieser Kirche wenigstens indirekte Zeugnisse der Tätigkeit Zangmeisters bringen. Von einer literarischen Tätigkeit ist nicht mehr viel bekannt. Er scheint in seiner Gesundheit doch untergraben gewesen zu sein und hat sich auch sehr stark zurückgehalten; wichtig war nur sein Eintreten für das lutherische Bekenntnis in den batthyányschen Herrschaften.

Die männlichen Mitglieder der Familie Batthyány waren reformiert, so haben sie die ihnen unterstellten Pfarrer auch in eine reformierte Kirchenorganisation eingeordnet. Der aus Franken stammende Rechnitzer Prediger Wolfgang Lang war damals gerade dabei, diese Verankerung zu lösen, Zangmeister hat ihm geholfen. Seine gute theologische Stellung hat ihm dabei bei den Disputationen auf den Synoden geholfen. So wurde er sehr bald zum Senior gewählt. Allerdings endete sein Leben bereits am 8. November 1630 am Fieber. Es war ihm dabei vergönnt, inmitten einer evangelischen Gemeinde zu sterben und nicht mehr mit ansehen zu müssen, dass sein Herr, Adam Graf Batthyány, 1634 zum Katholizismus zurückkehrte und seine evangelischen Prediger vertrieb.

 

Aus: Glaube und Heimat 1983, S.33-35.