Geboren am 22. Juli 1851 in Wossnesensk, Russisches Kaiserreich
Gestorben am 19. November 1933 in Wien

Schausteller, Artist

Heutzutage fände man es unzumutbar, menschliche »Missgeburten« auszustellen. Von der Antike bis zum Mittelalter aber sahen die Leute in diesen »Launen der Natur« quasi geheimnisvolle Wundergeschöpfe, von denen sie gleichermaßen fasziniert wie schockiert waren. Und in Zeiten, wo kirchliche Diakonie und staatliche Fürsorge die körperbehinderten Menschen noch nicht entdeckt hatten, konnten diese in den Schaubuden wenigstens etwas Geld verdienen.

Nikolaï Kobelkoff, um 1900.                                        Quelle: Wikimedia Commons

So ein bis heute international bekanntes Wunderwesen war Nikolai Kobelkoff. Seine 15 Geschwister hatten keine Behinderung. Kobelkoff wurde ohne Arme und Beine geboren und war hochbegabt, er brachte es bis zum Buchhalter – schreiben konnte er mit einem Armstumpf. Aber auch körperlich war er topfit und es gelang ihm sogar, als Artist aufzutreten. Von einem persischen Schausteller engagiert, bereiste er die ganze Welt. Ein Vertrag mit Direktor Lang brachte ihn 1875 nach Wien zum Impresario August Schaaf. Nun trat er im Prater auf.

Namhafte Ärzte wie Weinlechner und Billroth untersuchten ihn. Er lebte im Hause Schaafs und verliebte sich in die Schaustellertochter Anna Wilfert. Anna erwiderte seine Liebe, denn Nikolai war auf seine Art ein faszinierender Mann. Sie wollten in der lutherischen Kirche heiraten, wurden aber von dem zuständigen Pfarrer wegen Kobelkoffs Behinderung abgewiesen. Daher ließen sie sich in Budapest trauen. Immerhin hatten sie miteinander 11 gesunde Kinder und Kobelkoff wurde ein wohlhabender Praterunternehmer. Zwischendurch unternahm er große Reisen, immer mit der Familie, durch ganz Italien und trat u. a. auf dem Markusplatz in Venedig als Artist auf. 1882/83 bereiste er die USA.

Er war evangelisch A.B. und wurde am Evangelischer Friedhof Simmering bestattet.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 177-178

 

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