Rudolf von Alt. Der Stephansdom vom Stock im Eisenplatz, 1832

Wie ein Märchenerzähler erinnert Rudolf von Alt an eine längst vergessen geglaubte Welt mit seinen Bildern vom »alten Wien«. »Meister des Lichtes« nannte man ihn, der Stephansdom war seine Leidenschaft. Die Architektur faszinierte den Protestanten so sehr, dass er ihn rund 100 Mal abbildete. Ohne Rudolf von Alt und seine vielen Aquarellbilder von Österreich und Wien wüssten viele Menschen heute nicht mehr, wie Wien im 19.Jahrhundert ausgesehen hat. Von der Lehre bei seinem Vater Jakob Alt, der aus Frankfurt am Main nach Wien gekommen war und 1810 an der Akademie der bildenden Künste studierte, führte Rudolfs Weg über Auslandsreisen und große internationale Ehrungen bis zur Mitarbeit an der Secessionsbewegung, deren Ehrenpräsident er 1897 wurde. Diese Aufgeschlossenheit allem Neuen gegenüber, die sich in seiner besonderen Laufbahn niederschlug, machte ihn zu einem der populärsten Künstler des 19.Jahrhunderts in Wien. An die Historische Schule der Wiener Akademie der bildenden Künste kam er 1826, zwei Jahre danach präsentierte er bereits seine erste Ausstellung und seit 1831 malte er erstmals den Stephansdom. Sein detailreicher Naturalismus, der in den Architekturveduten seinen Niederschlag findet, besitzt außer dem künstlerischen auch großen topografischen Wert. 1848 wurde er in Wien Mitglied der Akademie – die Bestätigung durch den Kaiser erfolgte allerdings erst 1866. Mitglied der Berliner Kunstakademie wurde Rudolf von Alt, der auch einer der bedeutendsten frühen Lithografen war, 1874 und empfing dort auch Aufträge und große Ehrungen. In der Familie Jakob Alts stand zu Weihnachten 1817 zum ersten Mal ein Christbaum. Dieser Brauch aus Deutschland scheint von einigen Wiener Familien eingeführt worden zu sein (z. B. Henriette von Nassau-Weilburg, Andreas und Nanette Streicher, Fanny Arnstein). Während der Revolution 1848 war er Mitglied der Bürgergarde und musste im Oktober mit seiner Frau nach Traismauer flüchten. Sein Lieblingslokal in Wien war der „Goldene Löwe“ in der Josefstadt, wo er mit Anzengruber, Chiavacci, Juch, Lewinsky, Martinelli u. a. am Stammtisch zusammenkam. Als die Wiener Secession im Jahr 1897 als Opposition zum konservativen Künstlerhaus und zu den überladenen Formen des Historismus gegründet wurde, wählten Secessionisten wie Gustav Klimt, Otto Wagner und Adolf Loos den bereits 85jährigen Rudolf von Alt zu ihrem Ehrenpräsidenten. Bei der Eröffnungsfeier wurde er vom Kaiser gefragt, ob er sich nicht schon ein wenig zu alt für die neue Funktion fühlte. Alt antwortete darauf: „Majestät, Alt war ich schon bei meiner Geburt. Immer bin ich noch jung genug, um in jeder Stunde neu zu beginnen.“

Am Vorabend seines Todes war der Kunstkritiker Ludwig Hevesi Gast im Hause Rudolf von Alts. Er schrieb darüber: »Eine der Damen holte eine halbzerfallene Pappschachtel und kramte darin. Was da für vorsintflutliche Dinge zutage kamen! Nun ja, bei einem solchen Urmenschen, dessen Chronologie aus Sätzen wie diesen bestand: Wissen Sie, wie ich anno 1827 von Beethovens Leichenbegängnis heimkam …! Der Mann rechnete also gar nicht mehr nach Erdumlaufzeiten.“

Unter den Papieren befanden sich die Verkaufserlöse Alts: viele Dutzende Bilder zu 70, 80, 90 Gulden, hie und da ein großes wie das römische Pantheon zu 120 und als Rarität der Stephansdom zu 250 Gulden. Als Rudolf von Alt durch Gebrechlichkeit ganz ans Haus gefesselt war, arbeitete er nur mehr vom Fensterplatz aus und malte Eisengießerei, Fabriksgelände und andere Hinterhofbilder, die heute in der Albertina zu besichtigen sind.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 27–28.