Die Flucht in die Idylle war bereits ein Massenphänomen, als Albach-Retty seine Karriere begann. Mit romantischen Filmen sollten die Leute von der Arbeitslosigkeit und später vom Krieg abgelenkt und in heitere Sphären versetzt werden. Der Sohn von Burgschauspielerin Rosa Albach-Retty wuchs behütet auf. Überlegungen, ihn in ein Internat zu geben, wurden fallen gelassen, obwohl „Wolfi“ nicht leicht zu bändigen war, von der Schule ausriss und nicht gerne lernte. Sein Atout: Er sah blendend aus und trat in die Fußstapfen seiner Mutter. Die erste Rolle hatte er 1926 in Hermann Bahrs „Altweibersommer“ am Burgtheater, zu dessen Ensemble er bis 1932 gehörte. 1927 spielte er erstmals in einem Stummfilm mit. Seine Glanzzeit erlebte er in den dreißiger Jahren, als ihn die UFA nach Berlin verpflichtete, wo er als jugendlicher Liebhaber und Bonvivant in Romanzen und Musikfilmen an der Seite von Lilian Harvey, Renate Müller oder Käthe von Nagy glänzen konnte. Oft spielte er den Wiener Charmeur mit dem jungenhaften, feschen Habitus des Lebemanns und Herzensbrechers, den das Glück der Liebe vor einem dauerhaft unsteten Leben bewahrt. Er wurde ein Star. Viele Filme wie z. B. „Der Kaiser und das Wäschermädel“ (1957) oder „Ein bezaubernder Schwindler“ (1949) werden noch heute gespielt.

Die Ehe mit der Schauspielerin Magda Schneider erweiterte noch die Fantasien um den Traumprinzen – die Nazis machten sich das zunutze. Goebbels setzte die geradlinig wirkenden schönen Männer und Frauen für die Propaganda ein. Es galt, ein Rollenverständnis mit modernen Medien gesellschaftlich zu verankern. Für den viel umschwärmten Albach-Retty war das Leben neben schnellen Autos und schönen Frauen mitten im Krieg vorteilhaft, der Preis nicht gering. Sein Regisseur Kurt Gerron wurde vor seinen Augen gedemütigt, außer Landes gejagt und später ermordet. Albach-Retty zögerte vor SA-Schergen den Hitlergruß zu leisten – seine Frau Magda soll ihn gerettet haben. Denn sie war ideologiekonform. Ihre Kinder feierten ihre Geburtstage immer mit denen der Bormanns. Rosemarie Magdalena Albach, später dann von der Mutter marktkonform »Romy Schneider« genannt, wuchs von „Mamili“ und „Papili“ verlassen im Internat auf. Ihr Vater, den sie sehr verehrte und liebte, soll ihr später einen Satz zugesteckt haben, den die berühmte internationale Filmschauspielerin immer mit sich getragen haben soll: »Steck deine Kindheit in die Tasche und renne davon, denn das ist alles, was du hast- – angeblich ein abgewandeltes Zitat Max Reinhardts.

Nach dem Krieg war Albach-Retty von 1959- 1967 wieder im Burgtheater zu sehen. Seine Filmkarriere, für die er auch mit seiner ersten Frau Magda Schneider nach Deutschland übersiedelt war, konnte er nach dem Krieg nicht mehr fortsetzen. Wäre Romy Schneider nicht international so berühmt geworden, wüssten auch von deren Vater nicht mehr viele zu erzählen. Romy Schneider identifizierte sich niemals mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Eltern. Die „Sisi“-Filme waren das Produkt einer ausgefeilten Geschichtsfälschung. „Ich bin ausgewandert“, sagte Romy einmal, „weil man mir außer Sisi nichts zu bieten hatte.“

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 26–27.