Im Jahre 1989 erinnerte sich die kleine Gemeinde Ranten in der Oststeiermark an den in ihren Mauern geborenen Geographen und Weltreisenden Martin Zeiller. Sie widmete ihm eine kleine Ausstellung, in der auch gezeigt wurde, daß sein Vater als evangelischer Pfarrer in Ranten tätig gewesen ist. Vater Zeiller verdanken die Fresken an der Außenseite der Rantener Pfarrkirche, die als eines der wenigen erhaltenen Denkmäler aus der Reformationszeit in der Steiermark bekannt sind, ihre Entstehung. Er gab den Auftrag zu ihrer Anfertigung. Spätere Zeiten haben sie zwar nicht sehr geschätzt, immerhin aber blieben sie, zum Unterschied von anderen derartigen Kunstwerken des Protestantismus, erhalten. So kann Ranten heute seinen Gästen auch ein bedeutendes Denkmal aus seiner evangelischen Zeit vorzeigen. Ein deutscher Verlag hat es unlängst unternommen, ein Buch mit der Deutung dieser Bilder herauszubringen, das wesentliche Aussagen des evangelischen Glaubens enthält.

Ein ganz anderes Dokument zur Geschichte des Protestantismus in der Umgebung von Ranten liegt im steiermärkischen Landesarchiv, es ist ein Verhörprotokoll. Freilich war die Situation erheblich weniger angenehm, in der die Aussagen des Protokolls gemacht worden sind; auch die künstlerische Bedeutung erreicht natürlich nicht das, was von den Bildern an der Außenseite der Kirche in Ranten gesagt werden kann. Derjenige, der dieses Zeugnis des Evangeliums abgelegt hat, war ein einfacher Bauer aus Ranten, vom Manggut. Er wurde im Jahr 1691 über Befehl des fürstlich-schwarzenbergischen Verwalters unvermutet überfallen, seine Bücher wurden ihm weggenommen, er wurde in das Schloß Murau geschafft und dort am 16. Oktober 1691 verhört. Es scheint, daß der Verwalter und dieser Bauer Ruep Friz aus irgendwelchen Gründen persönlich verfeindet gewesen sind. Man beschuldigte Friz, daß er sechs Jahre vorher bei einem antikatholischen Tumult anläßlich der Weihe eines Wetterkreuzes führend beteiligt gewesen sei, bei dem herrschaftliche Beauftragte sowie der Kaplan verprügelt worden seien. Ob da wahr ist, kann man nicht feststellen. Immer hin ergibt sich daraus, daß Ruep Friz in der Gegend als einer der bekannten Evangelischen gegolten hat. Und man konnte ihm 1691 auch eine Reihe von Büchern wegnehmen, die evangelische Glaubenslehren und Andachten (Predigten) enthielten.

Bei dem Verhör im Schloß Murau hat Friz angegeben, daß er evangelisch sei, daß er von dem, was die katholisch Kirche lehrt, nicht sehr viel halte, insbesondere meine er nicht, daß die Messe zur Seelen Seligkeit notwendig sei. Auch vom Papst halte er nicht viel, denn dieser könne kein Haupt der Kirche sein, und es sei noch weniger recht, wenn man ihn „Heiliger Vater“ nenne, zumal doch Gott selbst solches in der Heiligen Schrift verboten hätte, die erklärt: „Ihr sollt niemand Vater nennen auf Erden, denn euer Vater ist im Himmel“. Es können also nicht zwei heilige Väter sein, und der Papst wäre ja lange nicht so viel wie Christus. Über die Fürbitte der Heiligen erklärte er nichts zu wissen, hingegen nahm er zwei Sakramente (Taufe und heiliges Abendmahl) an. Das Fegefeuer kenne er nicht, er glaube an keines, In seinen Büchern sei nichts davon geschrieben. Er habe auch keinen Rosenkranz und haIte von dem Gebet zur Lieben Frau nichts. Er wisse allerdings, daß Maria die Mutter Gottes sei.

Auf dieses Verhör hin wurde Ruep erst recht festgehalten, freilich nicht mehr in Schloß Murau belassen, sondern auf Schloß Frauenberg bei Unzmark gebracht, wo ihn noch andere verhörten. Dann erstattet die Herrschaft ihren Bericht über diesen perversen und obstinaten Lutheraner und schädlichen Menschen, von dem nichts als Unheil zu erfahren ist, an die Landesregierung nach Graz. Diese ordnete an, daß zwei Jesuitenpatres aus Judenburg Friz noch einmal verhören und nach Möglichkeit zum wahren katholischen Glauben zurückbringen sollten. Das Verhör und die Bekehrungsversuche fanden statt – so meldete man – aber Friz habe sich derart rüpelhaft, ungestüm und halsstarrig benommen, daß man überhaupt mit ihm nichts habe anfangen können. Der Verwalter meinte, daß man Friz nicht einfach ausschaffen, also ausweisen, sollte, denn er würde da und dort in den Gemeinden, die von dem Lutheranismus noch infiziert seien, eine Menge Unkraut aussäen und alles Mögliche an Schaden anrichten. Im Februar 1692 wurde der Delinquent in Banden von Landesgericht zu Landesgericht bis nach Graz gebracht und dort im Rathausgefängnis in Verwahrung genommen. In Graz blieb Friz, der keines anderen Vergehens beschuldigt wurde, als evangelisch zu sein, volle 49 Wochen in Haft. Am 23. Jänner 1693 wurde ihm mitgeteilt, daß er auf kaiserlichen Befehl aus den Erblanden auf ewig bannisiert worden sei. Er sollte eine Urfehde, also einen Eid schwören und unterschreiben, daß er aus der Steiermark wegginge und nie wieder zurückkäme. In dieser Urfehde stand auch der Grund für seine Verurteilung: Er habe sich unterstanden, wider die wahre, allein seligmachende christliche Lehre eine lutherische Lehre unter den Leuten auszubreiten. Friz unterschrieb zwar, leistete aber nicht den Schwur; er wurde aus Graz ausgewiesen und kehrte, so rasch er konnte, zu seiner Frau und zu seinen Kindern auf das Manggut bei Ranten zurück. Allerdings konnte er dort nur zwei Tage bleiben. Dann wurde er neuerlich verhaftet, und der Landesrichter verhörte ihn wieder. Friz erklärte in dem Verhör, daß er nur deshalb gekommen sei, weil er seine Frau und seine Kinder sehen möchte; die Frau habe ihm geheißen, dazubleiben, darum sei er geblieben. Die Regierung unternahm immer noch Versuche, Friz zu bekehren. Währenddessen hat allerdings das Landesgericht in Murau diesen Bekenner des Evangeliums an den Pranger stellen, ihn dort öffentlich schlagen und dann aus dem Land ausweisen lassen. Vor seiner Auspeitschung am Pranger bekannte sich Friz offen zu seinem Glauben und ermutigte auch mit einigen Worten die anderen zur Treue. Das mißfiel den Herren in Graz auf das Äußerste und der Landesgerichtsverwalter bekam eine heftige Rüge.

Friz mußte also das Land verlassen. Es litt ihn aber in der Fremde nicht. Man hatte seine Frau und seine Kinder zurückbehalten und zu diesen trieb es ihn zurück. Im Juni 1693 war er zu Hause und wurde wieder verhaftet. Er wurde zwar nicht, wie man ihm angedroht hatte, zum Tode verurteilt, aber zur Galeerenstrafe. Ein kaiserliches Patent vom 23. Juni 1693 befahl allen Landesgerichtsherrschaften, Städten und Märkten, daß der zu Murau in Gefangenschaft liegende lutherische Bauer Ruep Friz wegen unterschiedlicher begangener Delikte, erzeugtem Ungehorsam und verübter Skandale von dort aus zu Wasser und zu Land nach den venezianischen Grenzen und sodann auf die Galeeren geliefert werden sollte. Mit einem glühenden Eisen, wie es der Brauch war, als Galeerensträfling gekennzeichnet, wurde der lutherische Bauer aus der Steiermark wegen seines Bekenntnisses auf einer Ruderbank angekettet. Dort ist er wohl verkommen.

 

Gustav Reingrabner: Eine Wolke von Zeugen – Ruep Friz
Aus: Glaube und Heimat 1990, S.32-33.