Aufgrund der Entwicklung, die in den letzten zwanzig Jahren stattgefunden hat, kann man aber auch sagen: Österreich ist ein ökumenisches Land. Dass Nichtkatholiken die katholische Präsenz spüren, ist klar, sind doch die meisten Leute, mit denen sie beruflich wie auch privat zu tun haben, katholisch. Aber auch in Bereichen, wo die Katholiken unter sich sind oder sein könnten, wird Ökumene mit einbezogen: an den katholischen Fakultäten wird ökumenische Theologie gelehrt, in eigenen Seminaren wird den Priestern Ökumene nahegebracht, und selbst zur Vorbereitung des Katholikentages wurden Vertreter der anderen Konfessionen eingeladen.
Es ist sogar möglich, noch einen Schritt weiterzugehen und zu sagen: je katholischer, ums so ökumenischer. Ein Beispiel: An den katholischen Privatschulen gibt es das sonst übliche Recht der Abmeldung vom Religionsunterricht nicht, und es wird großer Wert darauf gelegt, dass auch die nichtkatholischen Schüler Unterricht in dem Glauben, dem sie angehören, erhalten. Die ökumenische Öffnung erfolgt also nicht aus Indifferentismus heraus, sondern aus einer tiefen Verwurzelung in der eigenen Tradition.

Wenn man von Ökumene in Österreich spricht, sind zwei Aspekte zu unterscheiden, nämlich die Beziehungen der hiesigen Kirchen zur Ökumene auf Weltebene einerseits und die innerösterreichische Ökumene andererseits.

Die Kirchen Österreichs und die Kirchen der Welt

Alle in Österreich vertretenen Kirchen sind entweder Teile eines größeren Ganzen – das trifft insbesondere für die römisch-katholische, aber auch für die orthodoxen und die altorientalischen Kirchen zu -, oder (bzw. sowohl als auch) sie sind Mitglieder eines überregionalen Bundes von Kirchen. Die evangelischen Kirchen z.B. gehören dem Lutherischen bzw. Reformierten Weltbund, der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Ökumenischen Rat der Kirchen an. Analoges gilt von Altkatholiken, Methodisten, Baptisten oder Anglikanern.

Es ist daher nur natürlich, dass die Kirchen in Österreich mit denselben Themen und Problemen befaßt sind, mit denen sich auch die Kirchen in anderen Ländern beschäftigen – wobei den einzelnen Fragen in den verschiedenen Kirchen unterschiedli9ches Gewicht zukommt. Einige Beispiele seine hier erwähnt:

Die Beteiligung der Jugend am kirchlichen Leben

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Jungend keineswegs areligiös ist – viele sind nur aus der Kirche ausgewandert, um in Randgruppen oder Sekten einzuziehen. Der Katholikentag im Jahr 1983 hat deutlich gemacht, wie sehr die Jungend durch religiöse Fragen motivierbar und mobilisierbar ist. Es gilt nun – zum beiderseitigen Nutzen -, die Jugend aktiver als bisher ins kirchliche Leben einzubeziehen.

Die Mitarbeit der Frauen in der Kirche

– ein Thema, das in den reformatorischen Kirchen mittlerweile mehr praktische als theologische Probleme aufwirft. Im katholischen Raum wird die Forderung, alte Positionen in diesem Zusammenhang neu zu überdenken, oft recht deutlich formuliert. An die orthodoxen Kirchen hingegen wird diese Problemantik – ihren eigenen Aussagen zufolge – eher von außen herangetragen.

Die Konvergenzerklärung zu Taufe, Eucharistie und Amt (Lima-Papier)

Die Texte werden auf verschiedenen Ebenen diskutiert, es liegen aber bisher weder Stellungnahmen der Bischofskonferenz noch der Synoden vor, so dass es zu früh ist, Prognosen zu stellen. Sicher werden aber auch hier die reformierter oder freikirchlicher Tradition angehörenden Kirchen die größten Schwierigkeiten haben, sich in dem Text wiederzufinden. Interessant dürften auch die Ergebnisse der Fachtagungen werden, zu denen die katholische Kirche Vertreter der anderen Konfessionen eingeladen hat.

Kirche für die Armen und Entrechteten

Die katholische Soziallehre ermöglicht offenbar eine weniger belastete Einstellung zu gesellschaftspolitischem Engagement, als sie bisweilen im Protestantismus üblich ist. Hier ist aber eine Neubesinnung im Gang, die auch durch die seit einiger Zeit wieder intensiveren Kontakte zur „Genfer Ökumene“ zum Ausdruck kommt: Vertreter der evangelischen Kirche haben an der Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Vancouver teilgenommen, und der lutherische Bischof wurde in den Zentralausschuß gewählt. Eine Vertreterin aus Österreich gehört dem Programmausschuß zur Bekämpfung des Rassismus an.

Die innerösterreichische Ökumene

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des heutigen Österreich von den reformatorischen Lehren ergriffen. Die habsburgischen Herrscher machten sich die Rekatholisierung ihrer Untertanen zur Aufgabe, die sie mit Eifer und Erfolg erfüllten – wobei die Methoden oft recht direkt waren: Konversionshäuser, Zwangsumsiedelungen, Ausweisungen, Bücherverbrennungen usw. Das Toleranzpatent von 1781 setzte den Verfolgungen und dem daraus resultierenden Geheimprotestantismus ein Ende, bürgerliche Gelichberechtigung brachte das Protestantenpatent des Jahres 1861. Nach einer nochmaligen Belastung in der Zeit des Ständestaates (1934 – 1938), kam es 1961 zum „Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse“, das der evangelischen Kirche volle Anteilnahme an der österreichischen Öffentlichkeit und Gleichstellung mit der katholischen Kirche zusichert. Diese evangelische Kirche besteht übrigens aus zwei selbständigen, durch Generalsynode und gemeinsamen Oberkirchenrat (A.B.u.H.B.) verbundenen Kirchen, der evangelischen Kirche A.B. (lutherisch) und der evangelischen Kirche H.B. (reformiert). Wenig später wurde auch den orthodoxen Kirchen, von denen die griechisch-orientalische Gemeinde bis ins 15. Jahrhundert reicht, die Gleichberechtigung zuerkannt.

Die volle staatliche Anerkennung der evangelischen und orthodoxen Kirchen einerseits und die Impulse des 2. Vatikanischen Konzils andererseits bilden die Grundlage für die neue Ära des Zusammenlebens der Christen in unserem Land. Besonders hervorzuheben ist, dass es sich dabei um die Begegnung gleichwertiger und gleichberechtigter Partner handelt und die katholische Kirche ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht gegen die anderen ausspielt.

Die römisch-katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche in Österreich ist katholisch genug, um sich ökumenische Aufgeschlossenheit nach außen ebenso leisten zu können, wie sie kritische Stimmen in den eigenen Reihen u Wort kommen läßt. Kürzlich war in einem Kommentar zur römischen Instruktion über die Befreiungstheologie zu lesen, es handle sich nicht um eine Verurteilung des Anliegens, sondern um eine Warnung vor der Anwendung fremder, in dem Fall marxistischer Strukturen – eine Richtigstellung, die durch irreführende Berichterstattung in der Tagespresse erforderlich schien. Der Autor, an dessen „Katholizität“ niemand zweifelt, frage aber weiter, ob diese Warnung nicht auch für andere ebenfalls fremde Strukturen, wie z.B. die Anwendung von juristischen Kategorien in Glaubensdingen, zu gelten habe. Dieses Beispiel kann als Illustration für die Haltung des österreichischen Katholizismus dienen: Die Bindung an Rom wird nicht in Frage gestellt, hindert aber nicht an selbständigem Weiterdenken.
Eine neue Situation entsteht durch den neuen Codex Iuris Canonici: Er wird als eine Chance gesehen, bei den dadurch erforderlichen Neuregelungen Überholtes ausräumen und auch in verstärktem Maße dem Miteinander der Konfessionen gerecht werden zu können.

Katholikentag und Papstbesuch im September 1983 hatten in den Medien und in der Öffentlichkeit großes Interesse gefunden. Der Katholikentag hat die Kirche vor die Aufgabe gestellt, jene Strukturen zu finden, in denen die von dort ausgegangenen Impulse aufgenommen werden können, und vielen Katholiken ist durch die starke persönliche Ausstrahlung des Papstes ihre Verbundenheit mit ihrer Kirche neu bewußt geworden.

Die evangelische Kirche A.B.u.H.B.

Die evangelische Kirche A.B. ist die zweitgrößte Kirchengemeinschaft in Österreich. Naturgemäß fühlte sie sich mit Deutschland verbunden. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der daraus folgenden Rechtsunsicherheit und nach der Periode des Ständestaates war die Erwartung Österreichs durchaus legitim, durch den Anschluß an Deutschland 1938 bessere Zeiten zu erhoffen. Diese Erwartung wurde enttäuscht, und weite Kreise quittierten dies mit einem Rückzug in die Innerlichkeit und mit betontem Festhalten an tradierten Werten. In den letzten Jahren zeichnet sich aber deutlich ein Umschwung ab, der insbesondere durch die Arbeit der Fakultät und die Aktivitäten der evangelischen Akademie bzw. einiger Gruppierungen innerhalb der Kirche vorbereitet worden war.

Die wesentlich kleinere evangelische Kirche H.B. zeichnen besonders synodale Strukturen, eine starke Betonung des Engagements der Laien und damit verbundene Stellungnahmen zu Dingen des öffentlichen Lebens (.B. dem Energieproblem) aus.
Beide Kirchen haben eine an Jubiläen reiche Zeit hinter sich. Luther- und Zwingli-Jahr wurden ausführlich begangen, wobei u.a. die reformierte Kirche die Chance nütze, das Wissen um den Reformator, der ihre Tradition mitgeprägt hat, zu vertiefen. Neben anderen Publikationen sind je ein Bändchen mit einer Auswahl von Testen von Luther und Zwingli erschienen, beide in einem katholischen Verlag – wohl auch eine typisch österreichische Lösung.

In großem Rahmen wurde auch der vor 200 Jahren erfolgten Verkündigung der Toleranz gedacht – für die evangelische Kirche eine Herausforderung, ihr Verhältnis zur katholischen Kirche ganz bewußt neu zu durchdenken: War das evangelische Selbstbewußtsein jahrhundertelang geprägt vom Widerstand gegen die dominierende katholische Kirche, so bestand nun seit längerem kein Grund mehr, an diesem Feindbild festzuhalten, was gar nicht als so leicht empfunden wurde.
Ein wesentlicher Schritt zur Schaffung des neuen Klimas war die zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche erfolgte Regelung bezüglich der gegenseitigen Anerkennung der Taufe. Die bereits 1966 ins Leben gerufene Gemischte katholisch/evangelische Kommission, deren Mitglieder von der Österreichischen Bischofskonferenz ernannt bzw. von den Synoden gewählt werden, tagt mehrmals jährlich und hat an der Regelung vieler Fragen – Mischehen, gemeinsame Gottesdienste u.a.m. – mitgewirkt.

Andere christliche Kirchen in Österreich

Die orthodoxen und altorientalischen Kirchen. Wien ist Sitz des griechisch-orthodoxen Metropoliten von Austria sowie eines russisch-orthodoxen Bischofs. Darüber hinaus haben die meisten orthodoxen und altorientalischen Traditionen hier Gemeinden, von denen die ins 18. Jahrhundert zurückgehende armenisch-apostolische Gemeinde erwähnt sei. Orthodoxes Leben ist zwar auf Wien konzentriert, aber nicht beschränkt; ein besonderes Zentrum ökumenischer Begegnung ist in Graz entstanden. Dennoch kommt Wien eine besondere Brückenfunktion im Dialog zwischen Ost und West zu. Bereits 1964 entstand auf Anregung des Wiener Erzbischofs, Kardinal König, der Stiftungsfonds „PRO ORIENTE“, durch den die Lokalkirche von Wien einen Beitrag für die Beherzigung des ökumenischen Auftrags des Zweiten Vatikanischen Konzils leisten möchte (vgl. hierzu S. 37f dieser Ausgabe).

Die altkatholische Kirche

Anläßlich der Aufhebung des Interdikts über der altkatholischen Gottesdienststätte sagte 1969 der Erzbischof von Wien: „An die Stelle von einstmaligen geschichtlichen Belastungen und des gegenseitigen Mißtrauens (möge) der Geist brüderlichen Verstehens und ökumenischer Gesinnung treten.“ Die bereits 1877 staatlich anerkannte altkatholische Kirche ist sich der Rolle, die sie als Vermittlerin zwischen den Kirchen verschiedener Tradition zukommt, bewußt und ist dementsprechend aktiv am ökumenischen Geschehen beteiligt.

Die Methodistenkirche

Anläßlich einer europäischen Glaubenskonferenz zum 200-jährigen Bestehen der methodistischen Gemeinschaften, die im vergangen Jahr in der Nähe Wiens stattgefunden hat, wurden die geladenen Vertreter aus der Ökumene mit hineingenommen in die für den Methodismus typische und mit praktischer Verpflichtung verbundenen Freue am Evangelium.
Die Methodistenkirche ist, obwohl sie nur einige tausend Gläubige in Österreich zähl, im ökumenischen Leben des Landes sehr präsent und gehört – wie auch die altkatholische Kirche – zu den Gründungsmitgliedern des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (s.u.).

Ebenen der Begegnung

Nur am Rande erwähnt sei hier all jenes, ohne das die auf anderer, „höherer“, Ebene getane Arbeit eigentlich sinnlos wäre – nämlich die unzähligen Begegnungen an der Basis, in Gemeindekreisen, in der Familie, im Religionsunterricht, überall dort, wo das Miteinander einem inneren Bedürfnis entspringt, oft ohne lange zu fragen, ob das Tun auch durch kirchliche und staatliche Regelungen und Gesetze abgesichert ist, die oft illegale Ökumene also, die für die gremiale Arbeit aber zugleich Herausforderung und Energiequelle ist.
Auch der sozial-karitative Sektor sei nur beiläufig erwähnt, weil hier die Zusammenarbeit zur Selbstverständlichkeit geworden ist und jeweils nach Maßgabe der Möglichkeiten bzw. Erfordernisse erfolgt.

Zusammenarbeit auf theologischem Gebiet. Hier ist auf die Ökumenischen Akademien in Graz hinzuweisen, auf die Bedeutung, die der ökumenischen Theologie an den Fakultäten beigemessen wird, der Einrichtung eines Lehrstuhls für Ostkirchenkunde, und vor allem auf die Zusammenarbeit in Wien, wo eine katholische und eine evangelische theologische Fakultät nicht nur in guter Nachbarschaft miteinander leben, sondern auch gemeinsame Lehrveranstaltungen angeboten bzw. gemeinsame Stellungnahmen verabschiedet werden.

Auch werden Gespräche, die auf Weltebene geführt werden, aufgegriffen. Z.B. hat die evangelische Kirche H.B. die Bischofskonferenz eingeladen, sich mit ihr an der Diskussion zum katholisch/reformierten Dokument „Die Gegenwart Christi in Kirche und Welt“ zu beteiligen. Nachdem ein gemeinsamer Schlußbericht erfaßt werden konnte, ist das Gespräch in eine zweite Runde (Thema Eucharistie) gegangen, die kurz vor ihrem Abschluß steht.

Zusammenarbeit in Rundfunk und Fernsehen

Stellvertretend für alle andern Aktivitäten sei hier die Ökumenische Morgenfeier erwähnt, eine halbstündige Hörfunksendung, die seit über sechs Jahren an jedem Sonn- und Feiertag ausgestrahlt wird und deren Ziel eine gemeinsame Verkündigung der christlichen Botschaft ist. Diese Sendung – die übrigens den Hörern in ganz Österreich zum Bewußtsein gebracht hat, wie viele christliche Traditionen in unserem Land beheimatet sind – ist in ihrer Art ein bisher einzigartiges Experiment, und die zu Zehntausenden vom Rundfunk angeforderten Manuskripte beweisen, wie stark das Interesse dafür ist. Folgende Antwort auf die Frage, warum das Experiment gerade in Österreich gelungen ist, hat eigentlich nicht nur für die Ökumenische Morgenfeier Gültigkeit: „Hier muß wohl dankbar vermerkt werden, dass eine Reihe von geschichtlich bedingten Vorgängen zum Unterschied von andren Ländern in einer besonders glücklichen Weise verarbeitet worden sind. Dazu gehört nicht nur das Zweite Vatikanische Konzil und die Arbeit des ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, sondern schon längst vorher eine durch fast hundert Jahre hindurch bewährte innerevangelische Ökumene zwischen Lutheranern und Reformierten. Dazu gehört die katholische Bibelbewegung des klosterneuburger Chorherren Pius Parsch und schließlich das gemeinsame Erleben von Unterdrückung und Verfolgung während der nationalsozialistischen Ära. Nicht zu vergessen die Brückenfunktion des neutralen Österreich zwischen West und Ost sowie die Größenverhältnisse der Kirchen in unserem Lande, die erst gar nicht den Nährboden für Kämpfe um Macht und Prestige abgeben konnten…Und endlich ist da die Erfahrung der kleinen Kirchen, dass sie dem Staat gegenüber ohne dies nur im Kielwasser der römisch-katholischen Kirche etwas erreichen können“
(L. Wallner, P. Karner Hg., Ökumene zum Weitergeben, Innsbruck 1980, S. 156).

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ)

1952 aus einer „Arbeitsgemeinschaft der Kirchen“ hervorgegangen, bildet er mittlerweile eine Begegnungsebene aller christlichen Kirchen in Österreich und ist u.a. in den letzten Jahren wieder in stärkerem Maße ein Verbindungsglied zum Ökumenischen Rat in Genf. Die katholische Kirche hat zwar nur Beobachterstatus im Rat, arbeitet aber aktiv mit – insbesondere auch die Vorbereitung und Durchführung des Gottesdienstes, den der Rat alljährlich zum Abschluß der in ganz Österreich mit einer Vielzahl von Gottesdiensten und Veranstaltungen begangen Gebetswoche für die Einheit der Christen veranstaltet. Im Vorjahr hat dieser Gottesdienst übrigens an einem Sonntagvormittag stattgefunden und wurde vom österreichischen Fernsehen übertragen.

Österreich – ein Modell für das konfessionelle Miteinander

Die Situation der Kirchen in Österreich ist ganz wesentlich von dem Willen getragen, die Probleme, die sich kirchlichem Leben in unseren Tagen stellen, gemeinsam zu bewältigen. Diese Miteinander wäre ohne die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erfolgte und durch mancherlei (z.B. der Abkehr der katholischen Kirche von jeglichem Staatskirchentum) schon vorher angelegte ökumenische Offenheit der mit Abstand größten Kirche des Landes nicht möglich. So aber konnte der Bischof der lutherischen Kirche, Dieter Knall, anläßlich des Papstbesuches feststellen: „Dankbar erkennen wir die großen Möglichkeiten, die uns eine offene, liebevolle katholische Kirche in unserem Land biete. Der einstige Konkurrenzkampf und alle seine Erscheinungen klingen heute wie Anachronismen…“ Und der Vorsitzende des ÖRKÖ hat bei einer Veranstaltung festgestellt: „ Wir haben Gott sei Dank eine katholische Partnerkirche in diesem Land, die bis an die Grenzen des ihr Erlaubten geht, die ihren Spielraum voll anwendet.“

All das bedeutet natürlich nicht, dass das Zusammenleben der Kirchen in Österreich völlig problemfrei und reibungslos ist, Das Gesetz billigt allen staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich gleiche Rechte zu. Maßstab sind die Bestimmungen des zwischen dem Vatikan und der Republik Österreich geschlossenen Konkordats. Das heißt, die Rechte sind auf die Situation einer Majoritätskirche hin angelegt und können von den kleineren Gemeinschaften oft von ihrer Struktur her nicht ausgenützt werden. Aufgrund der Ungleichheit der Nutznießer wendet sich diese Gleichheit vor dem Gesetz manchmal in ihr Gegenteil, nämlich in ein Instrument der Diskriminierung.

Ein anderer Bereich, in dem es oft zu großen menschlichen Problemen kommt, ist der der Ehen von kirchlichen Amtsträgern oder sonst im kirchlichen Dienst stehenden Personen mit Angehörigen einer anderen Konfession. Hier sind auf allen Seiten noch Fortschritte in ökumenischer Gesinnung zu machen.
Dabei darf weder übersehen noch verschwiegen werden, dass es durchaus auch Stimmen gibt, die diese ökumenische Gesinnung gar nicht so sehr begrüßen. Das sind einerseits jene, die gern entschiedenere Stellungnahmen seitens der Majoritätskirche hören, andererseits jene – u.a. in den kleineren Kirchen -, die um den Verlust ihrer Identität bangen. Sicherlich ist auf dem Gebiet der Verkündigung und der Ausbildung von viel zu tun, um das ökumenische Anliegen allen Christen in Österreich nahezubringe, ein Anliegen, das nicht nur praktisches Gebot der Stunde gegenüber einer zunehmenden Entkirchlichung Entchristlichung, sondern unaufgebbarer Teil der christlichen Botschaft ist. Trotz der sicherlich noch bestehenden Schwierigkeiten ist es eine Tatsache, dass Österreich mit einer aufgeschlossenen großen katholischen Kirche und den kleinen Kirchen, die bereit sind, aus dem Schatz ihrer jeweiligen Tradition ihren Beitrag zur Gesamtheit zu leisten, ein funktionierendes Modell für das Zusammenleben der Konfessionen entwickelt hat.

Eben daran wäre abschließend noch eine kritische Bemerkung anzuschließen: vielleicht ist dieses gute Funktionieren einer der Gründe dafür, warum man in Österreichs Kirchen zum Teil ein nur sehr zögerndes Interesse für Anregungen aus der Weltökumene zeigt. Dabei wird aber übersehen, dass die eigene Zufriedenheit nicht zur Abkapselung führen, sondern vielmehr als Verpflichtung gesehen werden sollte, anderen entweder aufgrund der eignen Erfahrung beizustehen oder aber Verständnis für die haben, für deren kirchliches Leben andre Probleme als das konfessionelle Miteinander ausschlaggebend sind.

Von Erika Fuchs
(Mag. Theol. Erika Fuchs ist Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich)