Virtueller Rundgang mit Turmaufstieg und Besuch des Friedhofes sowie Historische Kirchenführung von Johannes Leitner, Archiv der Evangelischen Kirche in Österreich.

Die Kirche von Scharten wurde 1819 als Bethaus erbaut. Der Neubau aus Stein ersetzte einen baufällig gewordenen Holzbau und wurde durch die Mithilfe der Gemeindeglieder innerhalb von ein paar Monaten errichtet. Die Bauplanung 1818/19 ist wohl auf einen lokalen Bau- oder Maurermeister zurückzuführen. Am 21. November 1819 fand die festliche Einweihung durch Pfarrer Johann Christian Thielisch statt.

Die Kirche folgt einer West-Ost-Achse. Im Westen schließt das Pfarrhaus an das Langhaus mit integriertem Chor von 1818/19; im Osten ist dem geraden Chorabschluss der Kirchturm von 1900 vorgelagert.

Der Bau besaß frontseitig ursprünglich einen bekrönenden, geschwungenen Giebel sowie zwei Reihen rechteckiger Fenster; zu beiden Seiten dürfte er je zwei einfache Eingänge besessen haben. Turm, Glocken sowie abgerundete Fenster waren in der Zeit vor 1849 für evangelische Sakralbauten nicht erlaubt. Im Inneren wurde das Bethaus angeblich „mit vielen sinnreichen Denksprüchen und mit den Bildnissen Kaiser Joseph II. und Franz I. geziert“.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte unter Pfarrer Jakob Ernst Koch eine rege Bautätigkeit ein. Zunächst wurde das Pfarrhaus umgebaut und im Jahr 1900 der Kirchturm errichtet. Eine große Spende- und Gebefreudigkeit sowie viele helfende Hände machten es möglich, den Turm innerhalb eines Jahres fertigzustellen: zunächst wurde ein Turmbauverein gegründet, Ende März hat man das Turmfundament ausgehoben, am 13. Mai erfolgte die Grundsteinlegung, am 5.  August wurde das Kreuz auf den Turm gesetzt und am 31. Oktober 1900, dem Reformationstag, läuteten erstmals die drei aus Lübeck stammenden Glocken. Die Turmuhr kam 1901 dazu. Zwei der Lübecker Glocken mussten im Jänner 1917 für Kriegszwecke abgeliefert werden, die danach angeschafften fielen dem 2. Weltkrieg zum Opfer. Am 3.Mai 1951 sind schließlich die von der Salzburger Glockengießerei Oberascher gegossen Glocken geweiht worden.

Der Turm wird in drei Geschosse gegliedert und bildet mit den adaptierten Flanken des Chores eine Schaufront. Das Untergeschoss wird durch Putzbänder, Rundbogenfriese und ein Portal gegliedert, während das hohe Mittelgeschoss Biforenfenster und Zifferblätter der Kirchenuhr aufnimmt. Das Obergeschoss ist als oktogonaler Aufsatz gestaltet, der an vier Seiten von kleinen Türmchen flankiert und mit einem spitzen Helm abgeschlossen wird. Im Rahmen des virtuellen Kirchenrundganges kann der Kirchturm in Inneren bis zu den Glocken bestiegen werden.

Die beiden Langhausseiten haben die ursprüngliche Putzbandgliederung von 1818/19 behalten, die rechteckigen, kleinen Fenster mit originalen Gittern werden dabei rundbogig gerahmt, während das Bogenfeld ein Palmettenornament aufnimmt. Die Fensterreihe darüber hat man 1911, quasi als letzter Bauakt, halbrund umgestaltet. Im Chorbereich ist beiderseits je ein kleines Portal und im Langhausbereich je ein Hauptportal situiert.

Der Betrachter gelangt durch eines der beiden Hauptportale in den Saalraum. Das Langhaus ist einfach gegliedert und besitzt eine gekehlte Flachdecke mit Stuckfeldern und Stichkappen. Eine ausladende, dreiseitig umlaufende Empore schwingt im Süden zurück und öffnet den Blick zur Kanzel am Triumphbogen hin. Die steinernen Säulen, welche die Empore tragen, stammen aus dem ehemaligen Kloster Pupping. Zwei zweigeschossige Anräume wurden in den vorderen Ecken des Saales eingestellt und ermöglichten so einen flach eingewölbten Chorraum mit Polygonalabschluss.

Foto Johannes Leitner

Die Ausstattung folgt barocken Vorbildern. Der Altar wurde als spätklassizistisches Retabel mit Aufsatz vermutlich um oder nach 1830 ausgeführt und wie die stilistisch entsprechende Kanzel in Weiß und Gold gefasst. Das Altarbild stammt von einem Gmundner Künstler aus dem Jahr 1877. Das steinerne Taufbecken vor dem Altar zeigt Jesus mit elf seiner Jünger und ist später entstanden. An seiner Stelle befand sich früher ein Taufstock aus Holz, der nun, wie die sogenannte Thielisch-Kanzel, im Raum rechts vom Altar (Sakristei) zu sehen ist.

Über die linke Empore führt der Weg zum Pfarrarchiv und zur Treppe im Kirchturm.

Im Erdgeschoß des Turmes und nur von der Straße aus zugängig befindet sich seit 2003 die Psalmkapelle. Dieser Raum hat lange der Totenaufbewahrung gedient und war nach dem Bau der neuen Totenhalle viele Jahre leer gestanden. Das Künstlerehepaar Wolfgang Kirchmair und Mercè Picó-Kirchmayr hat ihn zu einem Meditationsraum umgestaltet.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Literatur (Auswahl):

  • Evangelisches Österreich. Ein Gedenkstättenführer. Herausgegeben von Bischof Oskar Sakrausky. Wien 1981, S. 52
  • Michael Schiebinger: Sakralbau des Vormärz in Österreich zwischen josephinischer Kontinuität und Stilpluralismus. Band 1 von 2. Dissertation, Universität Wien, 2015, S. 168, 696. (http://othes.univie.ac.at/38945/1/2015-05-07_0702582.pdf – abgerufen am 10.10.2021)