Es war 1981, als die Antiapartheid-Bewegung (AABiÖ) in Wien zu einer größeren Veranstaltung einlud, die auf dem Boden der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien Gumpendorf stattfand: Hildegard Zumach, Vertreterin der Evangelischen Frauenarbeit berichtet über die Boykottaktionen in Deutschland. Unter dem Titel „Kauft keine Früchte der Apartheid“ war dort die Boykottaktion schon seit einigen Jahren im Aufbau. Ein halbes Jahr später lud die Evangelische Pfarrgemeinde H.B.Wien Innere Stadt gemeinsam mit dem Evangelischen Arbeitskreis für Weltmission in Österreich Relgionslehrer und Interessierte zu einer Diskussion mit Pfr. Reinhard Brückner ein. Er hatte in Südafrika als Beauftragter des Evangelischen Missionswerkes Südwestdeutschland gearbeitet und brachte die Informationen über die Situation in Südafrika unter der Apartheid-Regierung so deutlich, dass aus der Veranstaltung die Initialzündung zu weiteren Aktivitäten entstand.

Plakataktion in Wiener Neustadt
Plakataktion in Wiener Neustadt

Eine wichtige Rolle spielte der Informationsdienst für Entwicklungspolitik, ÖIE, der verschiedene entwicklungspolitische Gruppen förderte. Hier fand die „Aktion Früchteboykott Südafrika“ Heimat. Zunächst in einem Jugendzentrum im 5.Bezirk, später in den Räumen des ÖIE in Wien I. trafen sich regelmäßig Aktivisten, hauptsächlich aus studentischen Kreisen, die verschiedene Formen der Öffentlichkeitsarbeit vorbereiteten Aufgerufen wurde zum Kaufboykott südafrikanischer Früchte bei Marktaktionen mit Plakaten und Transparenten auch in Supermärkten, Flugblätter mit Informationen über die Apartheidpolitik bzw. die Unterschriftenaktion an die Österreichische Bundesregierung, das von der UNO beschlossenen Handelsembargo durchzuführen. Dem Aufruf Südafrikanische Waren zu persönlich zu boykottieren, folgten schließlich regelmäßige Mahnwachen vor dem Hauptgebäude der Creditanstalt Bankverein CA, die als eine der größten österreichischen Banken nachweislich trotz Handelsembargo Geschäftsbeziehungen mit Südafrika unterhielt.

Bestehende Organisationen wie die Antiapartheid-Bewegung, Friedensbewegung und andere engagierte Gruppen kooperierten und trugen die Anliegen mit.

Die Aktion wurde auch in Salzburg vom „Komitee südliches Afrika“ in Bregenz durch eine dem ÖIE Vorarlberg nahe stehende Südafrika-Solidaritätsgruppe und in allen anderen Bundesländern durch kleinere Aktivistengruppen, oft katholische Pfarrgruppen, manchmal Gewerkschaftsgruppen, unterstützt. Kulturelle Ereignisse wie Konzerte, Ausstellungen, Filmaufführungen, Lesungen wurden im Sinne des Anliegens an verschiedenen Orten organisiert, wobei jeweils Informationsmaterial verbreitet wurde. Österreichweit wurden in der Zeit von 1982 bis 1991 siebenmal „Südafrika-Boykott-Wochen“ mit zahlreichen Veranstaltungen abgehalten.

Friedensdemonstration Wien 1982
Friedensdemonstration Wien 1982

Den Höhepunkt an Öffentlichkeit erreichte die im September 1985 in Wien veranstaltete Demonstration „Solidarität für Südafrika“, an der einige tausend Menschen teilnahmen.

Daneben wurden die größten Supermarkt-Ketten angeschrieben und aufgefordert, keine südafrikanischen Produkte zum Kauf anzubieten. Ein besonderes Ziel dieser Kampagne war der KONSUM, der als gewerkschaftlich und sozialdemokratisch geführter Betrieb galt.

Der Südafrika-Boykott und die Evangelische Kirche in Österreich

Ganz anders als in Deutschland und in der Schweiz, wo die Evangelischen Frauenorganisationen einen Großteil der Informationsarbeit leisteten, waren in Österreich zwar wichtige Persönlichkeiten in der Sache sehr engagiert, von kirchlichen Organisationen –oder Gruppen, wurde – abgesehen vom Evangelischen Arbeitskreis für Weltmission – das Anliegen nicht unterstützt. So wagte es die 1980 neu gewählte Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit i.Ö. Inge Schintlmeister nicht, sich offiziell für die Sache einzusetzen, weil sie die Kritik der Kirchenleitung fürchtete.

Vorausgegangen war eine Diskussion in der Generalsynode 1970, die sich um die Anerkennung des Antirassismusprogramms des Ökumenischen Rats der Kirchen(ÖRK) von 1969 drehte. Die Evang. Kirche A.B. konnte diese Aktion damals nicht gut heißen. Die Meinung der Evang. Kirche H.B. war dagegen ganz im Sinne des ÖRK- Beschlusses, wurde jedoch in der Generalsynode überstimmt und fand keinen Platz in den Evangelischen Medien. Erst eine entsprechende Dokumentation in der Reihe „Reformierte Schriften“, herausgegeben von Peter Karner und Erika Fuchs (später verehel. Tuppy) brachte die Diskussion in die Öffentlichkeit.

Dagegen war Mag. Ingrid Gaisrucker, evangelische Religionsprofessorin in Wien, Vorstandsmitglied und von 1982 bis 1988 Vorsitzende der Antiapartheidbewegung i.Ö. (AABiÖ) entschiedene Kämpferin gegen das Apartheid-Regime.
Nicht erhoben ist, wie viele evangelische Frauen sich tatsächlich an den Boykott-Aktionen beteiligten. Die ARGE Theologinnen mit Ulrike Frank Schlamberger, Irene Bünker und anderen engagierten Frauen war mit dabei.

Frauen gegen Apartheid

Eine evangelische Frauengruppe entwickelte sich während dieser Zeit innerhalb der Boykottbewegung, unterstützt von Lisette Dantine, Christiane Német, Ruth Niederwimmer, Hannah Golda und Evelyn Martin u.a., die „Frauen gegen Apartheid“. Sie versuchte auf die feministischen Anliegen hinzuweisen und förderte gleichzeitig ein Projekt, das medizinische Hilfe in Simbabwe, speziell für Gebärende und junge Mütter, unterstützte. – Die jährlich stattfindenden Demonstrationen zum Internationalen Frauentag am 8.März waren jeweils ein Höhepunkt für Informations- und Aktion im Sinne der Solidarität mit den unterdrückten Frauen in Südafrika. Bemerkenswert war dabei das Auftreten von Charlotte Dantine, selbst engagierte feministische Theologin, Witwe des (im Beitrag von Ingrid Gaisrucker erwähnten) Prof. Wilhelm Dantine der Evang. Theologischen Fakultät Wien.

Die AABiÖ und die Evangelischen

Unter den evangelischen Theologen waren es hauptsächlich die Mitglieder der „Salzburger Gruppe“, die die Aktionen unterstützten. Diese (anfängliche) Oppositionsbewegung innerhalb der Evangelischen Kirche bezeichnet sich als „Aktionsgemeinschaft für Gerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft“ und trägt das Anliegen gegen die Ungerechtigkeit der Apartheid aufzutreten bereits in ihrem Titel. Viele Mitglieder unterstützten daher diese Anliegen, auch finanziell. Darunter waren Ulrich Trinks und Johannes Dantine federführend engagierte Mitglieder der Gruppe und beide jahrelang im Beirat des AABiÖ-Vorstandes.

Offiziell hat die Evangelische Kirche A.B. in Österreich nie eine offizielle Stellungnahme gegen das Apartheidregime abgegeben.
1984 hat AABiÖ-Vorstandsmitglied Walter Sauer gemeinsam mit Landessuperintendent Peter Karner von der Evang. Kirche H.B eine Pressekonferenz gegeben. Anlass war der bevorstehende Besuch des damaligen südafrikanischen Staatspräsidenten P. W. Botha. Es ging dabei um den Protest der neuen „Verfassung“ Südafrikas, mit der Einrichtung des „Dreikammerparlaments“, das eine neuerliche Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit darstellte.
1985 gab es eine ökumenische Aktion in der südafrikanischen Botschaft: Eine Unterschriftenaktion zur Freilassung des verhafteten Generalsekretärs der katholischen Bischofskonferenz, Smangaliso Mkhatshwa wurde übergeben. Der damalige Weihbischof Florian Kuntner war gemeinsam mit Landessuperintendenten Peter Karner (Evang. Kirche H.B.) und dem methodistischen Superintendenten Helmut Nausner gekommen, als beratende Experten waren Helmut Ornauer und Walter Sauer dabei.

Ende der Boykottmaßnahmen –

Als aufgrund politischer Entwicklungen und nicht zuletzt wegen des Drucks, der durch Sanktionen und Boykottmaßnahmen auf Südafrika ausgeübt worden war, begann 1990 Ende der Apartheid. Es dauerte bis 1994, bis Südafrika eine neue, demokratische Verfassung bekommen hat.

Die Boykottmaßnahmen waren nicht mehr nötig. Südafrika braucht jedoch nach wie vor Solidarität, denn durch die Abschaffung der Apartheid allein konnte wirtschaftliche Unausgewogenheit im Land nicht gelöst werden:

– kein Ende der Solidarität!

Die „Antiapartheid-Bewegung“ wurde in ein Forschungs- und Kooperationszentrum für das südliche Afrika ungewandelt: South African Documentation and Cooperation Center SADOCC. Dort sind aktuelle Informationen zu erhalten: www.sadocc.at.

Von Evelyn Martin