Karl-Reinhart Trauner
Der Beginn des Weltkriegs kam für viele Österreicher unerwartet, dennoch reagierten viele Menschen mit Begeisterung. Sie war außer der Unkenntnis des modernen Kriegsbildes durch verschiedene Momente vorbereitet, v. a. auch durch die Hundertjahrfeier der Befreiungskriege. Verstärkt wurde sie durch die Äußerungen der gesellschaftlichen Meinungsträger. Die evangelische Kirchenleitung bejahte ebenfalls den Krieg als „gerechten Krieg“ und aus patriotischen Beweggründen.

In: EVBl 42 (1917) 152
Doch die anfängliche Kriegsbegeisterung wich bald einer Ernüchterung, die allerdings nicht unbedingt eine Distanzierung vom Krieg bedeutete.

Ein Beispiel dafür ist die Kriegsfreiwilligmeldung der evangelischen Theologiestudenten aus Wien Anfang 1915. Sehr bald wurde man sowohl seitens der Soldaten als auch an der „Heimatfront“ mit der Realität des Krieges konfrontiert. Die Pfarrgemeinden hatten sich den geänderten Gegebenheiten entsprechend umzuorientieren: Neben speziellen Gottesdiensten betraf das v. a. die diakonische Arbeit an den Kriegswitwen und -waisen sowie an Heimkehrern, auch die Flüchtlinge aus den Ostgebieten mussten versorgt werden, zahlreiche Pfarrer wurden zur Militärseelsorge einberufen.

Mit dem weiteren Kriegsverlauf verschlechterte sich die Lage zusehends, was zu neuen Belastungen für die Pfarrgemeinden durch Personalverlust sowie staatlich angeordnete Materialabgaben, v. a. der Glocken und der Orgelpfeifen, führte. Nach Kriegsende bedeutete der Verlust des Krieges auch den Verlust hoher Geldsummen, die in Kriegsanleihen investiert worden waren. Die personellen, materiellen und geistigen Folgen des Ersten Weltkrieges waren noch jahrelang massiv spürbar.
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