Karl-Reinhart Trauner

Der Beginn des Weltkriegs kam für viele Österreicher unerwartet, dennoch reagierten viele Menschen mit Begeisterung. Sie war außer der Unkenntnis des modernen Kriegsbildes durch verschiedene Momente vorbereitet, v. a. auch durch die Hundertjahrfeier der Befreiungskriege. Verstärkt wurde sie durch die Äußerungen der gesellschaftlichen Meinungsträger. Die evangelische Kirchenleitung bejahte ebenfalls den Krieg als „gerechten Krieg“ und aus patriotischen Beweggründen.

Feldspital in Ostgalizien
Feldspital in Ostgalizien
In: EVBl 42 (1917) 152

Doch die anfängliche Kriegsbegeisterung wich bald einer Ernüchterung, die allerdings nicht unbedingt eine Distanzierung vom Krieg bedeutete.

Denkmal in der Lutherkirche in Wien-Währing
Das Denkmal in der Lutherkirche in Wien-Währing dokumentiert nicht nur die hohe Zahl an Gefallenen der Pfarrgemeinde, sondern ist auch ein Denkmal für die gefallenen kriegsfreiwilligen Theologiestudenten der österreichischen evangelischen Kirche. Foto: Karl-Reinhart Trauner (2003)

Ein Beispiel dafür ist die Kriegsfreiwilligmeldung der evangelischen Theologiestudenten aus Wien Anfang 1915. Sehr bald wurde man sowohl seitens der Soldaten als auch an der „Heimatfront“ mit der Realität des Krieges konfrontiert. Die Pfarrgemeinden hatten sich den geänderten Gegebenheiten entsprechend umzuorientieren: Neben speziellen Gottesdiensten betraf das v. a. die diakonische Arbeit an den Kriegswitwen und -waisen sowie an Heimkehrern, auch die Flüchtlinge aus den Ostgebieten mussten versorgt werden, zahlreiche Pfarrer wurden zur Militärseelsorge einberufen.

Glockenabgabe in Bregenz
Die Abgabe der Glocken war für viele Pfarrgemeinden gleichermaßen ein Akt der Solidarität mit dem Staat wie ein schwere materielle wie emotionale Belastung, wie man an der Haltung der Vertreter der Evangelischen Pfarrgemeinde Bregenz bei der Glockenabgabe sieht. In: Evangelisch in Vorarlberg. Festschrift zum Gemeindejubiläum, hg. von Wolfgang Olschbaur–Karl W. Schwarz (Bregenz 1987) 76.

Mit dem weiteren Kriegsverlauf verschlechterte sich die Lage zusehends, was zu neuen Belastungen für die Pfarrgemeinden durch Personalverlust sowie staatlich angeordnete Materialabgaben, v. a. der Glocken und der Orgelpfeifen, führte. Nach Kriegsende bedeutete der Verlust des Krieges auch den Verlust hoher Geldsummen, die in Kriegsanleihen investiert worden waren. Die personellen, materiellen und geistigen Folgen des Ersten Weltkrieges waren noch jahrelang massiv spürbar.

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