Hugenottenkreuz
Hugenottenkreuz

Das Jahr 1685 war ein schwarzes Jahr in der Geschichte des französischen Protestantismus. Mit dem Edikt von Nantes hob König Ludwig XIV. alle politischen, bürgerlichen und religiösen Rechte der Hugenotten auf. Mittels brutaler Militäreinsätze wurden viele Protestanten „bekehrt“, aber gerade aus den gebildeten Schichten flohen die Hugenotten zu Hunderttausenden ins Ausland. Mit ihnen verbreitete sich auch ihr spezifischer Schmuck über große Teile Europas und war bald nicht mehr nur das Erkennungszeichen der französischen Hugenotten, sondern DAS reformierte Symbol überhaupt: Das Hugenottenkreuz.

Wann und wo dieser Schmuck entstanden ist, liegt im Dunkel einer bewegten und leidvollen Geschichte. Einer Legende zufolge wurde ein katholischer Künstler einige Jahre nach der Aufhebung des Edikts von Nantes in Lyon Zeuge des Verhörs und der Hinrichtung von vier reformierten Pfarrern. Beeindruckt durch ihre Standhaftigkeit und Glaubenstreue, begann er sich mit dem hugenottischen Gedankengut auseinanderzusetzen, konnte für die Reformation gewonnen werden und entwarf unter dem Eindruck der Geschehnisse von Lyon und seiner neu gewonnenen religiösen Erkenntnisse das Hugenottenkreuz in seiner Urform: Vier doppelte Flammen, die von einem gemeinsamen Mittelpunkt (Christus) ausgehen und eine Art Malteserkreuz bilden. Diese Kreuzesarme sind durch eine Krone verbunden und um den ganzen ein wenig Eleganz zu geben, wurden die Spitzen des Kreuzes mit „Perlen“ oder „Knöpfen“ verziert.

Verbürgt ist allerdings nur der Name des Goldschmiedes Maistre aus Nimes, der immer wieder in den Quellen mit dem Entwurf – oder zumindest mit der Herstellung des Hugenottenkreuzes in Zusammenhang gebracht wird.

Sicher ist auch, daß um das Jahr 1688 das Hugenottenkreuz bereits bekannt und auch verbreitet war, bald auch in verschiedenen Variationen. Ziemlich bald nach seinem Entstehen in der bereits genannten Urform wurde da Hugenottenkreuz durch einen Anhänger erweitert. Es stellt dieser Anhänger entweder eine Taube oder eine tropfenförmigen Gegenstand, auch „Träne“ genannt, dar. Der Ausdruck „Träne“ läßt an die verfolgte Situation der Reformierten Kirche in Frankreich denken und wird gern auch dahingehend gedeutet. Allerdings handelt es sich bei der „Träne“ um einen relativ neuen Fachausdruck, sodaß er für die Interpretation dieser doch recht frühen Form des Kreuzes nicht zulässig zu sein scheint.

Eine andere Deutung sprich davon, daß es sich bei dem tropfen- oder birnenförmigen Anhänger um einen Gegenstand handelt, der in Südfrankreich, wo da Hugenottenkreuz ja entstanden sein dürfte, „tisson“ („Stössel“) bezeichnet wurde. Dieser Stössel wurde zum Vermahlen von Salz in einem Mörser verwendet. Man kann also den Anhänger so interpretieren, daß man sagt: die Reformation ist in Frankreich zerstoßen worden wie das Salz in seiner Schale, aber dennoch hat sie ihren Geschmack, ihre Würze nicht verloren.

Und noch eine dritte Art der Interpretation ist bekannt. In einigen Quellen wird der Tropfen auch als „Feuerzunge“ gedeutet. Damit wird ein Zusammenhang hergestellt mit der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel während des Pfingstwunders (Apg. 2,3). Die „Feuerzange“ findet ein ziemlich genaues Pendant in der zweiten Form von Anhängern an Hugenottenkreuzen, nämlich in der Taube. – Auch sie ist Sinnbild für die Herabkunft des Geistes und im Anklang an das Taufevangelium Jesu (Mk. 1,9 – 11) wird sie als DAS Symbol des Gottesgeistes schlechthin bezeichnet. Viele französisch Reformierte nannten ihr Kreuz auch einfach nur „Saint Esprit“ (Heiliger Geist).

Das Hugenottenkreuz entwickelte sich bald zu einem Zeichen der Zugehörigkeit zur Reformierten Kirche. Hier sei allerdings erwähnt, daß auf katholischer Seite das lateinische Kreuz dieselbe Funktion erfüllte. – So geht aus einer Trauungsvorschrift aus dem Jahr 1739 hervor, daß alle zum Katholizismus Neubekehrten ihr Hugenottenkreuz einem Juwelier verkaufen mußten, dieser Verkauf bestätigt wurde und der (oder die) Betreffende vier Monate vor der Hochzeit ein lateinisches Kreuz zu tragen hatten. Dies wurde von den Hugenotten hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil „man dem Kreuz Verdienste und Tugenden zuschreibt, die allein dem Gekreuzigten gehören“ (G. Farel).

Als sich das Hugenottenkreuz bedingt durch die Emigration der französischen Reformierten auch im übrigen Europa ausbreitete, fand es eine spontane Aufnahme in den protestantischen Kirchen und wurde so zu einem sehr beliebten Schmuckstück, wird aber auch zum Beispiel auf Münzen immer wieder dargestellt. So auch auf jener Gedenkmünze, die anläßlich des 200jährigen Jubiläums des Toleranzpatents von Joseph II. Im Jahr 1984 von der Reformierten Stadtkirche herausgebracht wurde und in verschiedenen Ausführungen auch noch immer bezogen werden kann. Nicht uninteressant ist auch, daß sich an der Stelle, an der sich die Stadtkirche heute befindet, das ehemalige „Königskloster“ befand, das von Königin Elisabeth, der Witwe Kaiser Karls IX. Von Frankreich, gestiftet und erbaut wurde, und zwar in Erinnerung an die Ereignisse der Bartholomäusnacht 1572.

G.R., Reformiertes Kirchenblatt