Es sind die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auch in der Geschichte der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich (EFA) widerspiegeln. Die Anfänge reichen zurück in die Emanzipationsbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts. In vielen Evangelischen Pfarrgemeinden entstanden Frauenvereine, die eine rege soziale Tätigkeit innerhalb der jeweiligen Gemeinde und Diözese entwickelten. Die Frauen sammelten sich darüber hinaus in Bibelkreisen und trafen sich zu „Rüstzeiten“.

Als während der NS-Zeit alle kirchlichen Vereine verboten waren, wurde 1940 die Evangelische Frauenarbeit als eigener Arbeitszweig der Kirche gegründet. In der Nachkriegszeit war die Arbeit der evangelischen Frauen geprägt von der Not der Menschen, so entstanden z.B. Suppenküchen, Ausschlafwochen für Bergbäuerinnen und die Arbeit mit Flüchtlingen.

Auch in den folgenden Jahren zog sich die Parteinahme für die Schwachen der Gesellschaft wie ein roter Faden durch die Aktivitäten der EFA: Diakonische Sing­wochen mit praktischem Hilfsdienst bei Behinderten und Alten, Begegnungen mit Frauen hinter dem Eisernen Vorhang oder Hilfe im Kriegsgebiet im ehemaligen Jugoslawien sowie Begleitung und Ausbildung für pflegende Angehörige.

1960 erhielt die EFA den Auftrag, die entwicklungspolitische Aktion „Brot für Hungernde“ durchzuführen. Im Laufe von 50 Jahren wuchs das Bewusstsein für die Notwendigkeit partnerschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit mit den Menschen und Organisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Durch die entwicklungs­politische Bildungsarbeit in den evangelischen Gemeinden in Österreich konnte diese Arbeit innerhalb der Evangelischen Kirche in Österreich nachhaltig verankert werden. Vor allem im Empowerment (Stärkung, Ermächtigung) von Frauen durch Frauen lag und liegt ein bedeutender Schritt zu einer entwicklungspolitischen Arbeit, die sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt.

Der Weltgebetstag der Frauen, der seit 1952 unter der Schirmherrschaft der Evangelischen Frauenarbeit durchgeführt wurde und seit 1975 von einem Ökumenischen Nationalkomitee geleitet wird, hat das Verständnis für die weltweite Ökumene an der Basis entscheidend gefördert. Heute verbindet der Weltgebetstag in Österreich Frauen aus verschiedenen Kirchen mit Kulturen und Traditionen in aller Welt. Unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ setzt der Weltgebetstag an jedem ersten Freitag im März Zeichen der Hoffnung, fördert Frieden und Verständigung und stellt sich gegen Ungerechtigkeit und Gewalt. Seit 2008 arbeitet „der Weltgebetstag“ als selbstständiger Verein. Die EFA entsendet je zwei Delegierte aus der Evangelischen Kirche A.B. und aus der Evangelischen Kirche H.B.

Die letzen Jahrzehnte zeigen, wie die Gleichberechtigung den Einzug in die Kirchen gefunden hat. Frauen durften und wollten über den rein sozialen Bereich hinaus tätig sein und eroberten sich immer neue Bereiche des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens.

Die EFA leistete einen entscheidenden Beitrag dazu, dass Frauen dazu befähigt wurden: Feministische Theologie ließ sie die Bibel mit den Augen der Frauen lesen und ermutigte sie, daraus Konsequenzen für ihr persönliches Leben zu ziehen. Erwachsenenbildung und Empowerment („Ermächtigung“) traten in den Vordergrund. Dabei zeichnete sich die EFA in den vergangenen Jahren immer wieder durch ihre Bereitschaft aus, neue Anliegen aufzunehmen, zu spüren, welche Fragen zukunftsorientiert sind und manchmal auch quer zu denken.
Der interreligiöse Dialog gewann zunehmend an Bedeutung. Die EFA bringt seit 2007 beim Europäischen Projekt für Interreligiöses Lernen (EPIL) ihre organisatorische, theologische und pädagogische Kompetenz in den Dialog zwischen christlichen und muslimischen Frauen ein.

In der Frauen-, Bildungs- und Vernetzungsarbeit gilt es die Balance zwischen der Einforderung gesellschaftspolitischer Verantwortung, theologischer Reflexion und seelsorgerlicher Sensibilität/Begleitung von Betroffenen in existenziell schwierigen Situationen zu halten.

Die professionell konzipierte und präsentierte Zeitschrift efa ist eine unverwechsel­bare „Stimme“ von evangelischen Frauen und wird seit 2004 über die Grenzen Österreichs als Gütezeichen evangelischer (auch feministischer) Frauenarbeit in Österreich wahrgenommen.

Barbara Heyse-Schaefer
(Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich)