Für die bereits 1850 – als „Britische und Ausländische Bibelgesellschaft“ – gegründete Bibelgesellschaft brachte die Nachkriegszeit entscheidende Wandlungen und Weichenstellungen.

1947 war in den Räumen des Ev. OKR in der Schellinggasse 12 das „Österreichische Bibelkomitee“ gegründet worden, das den Weg zu einer eigenverantwortlichen Österreichischen Bibelgesellschaft ebnen sollte. Seit 1947 gab es alljährlich eine zentrale Veranstaltung anlässlich des „Bibelsonntages“. Im Jahr 1954 war das „Bibelhaus“ im 7. Wiener Bezirk in der Breite Gasse bezogen und feierlich eröffnet worden. Seit den späten 50-er Jahren war die kleine ständige Ausstellung in der Bibliothek des Bibelhauses Ziel unzähliger Schulklassen, die dort eine anschauliche Information über die Bibel und ihre Geschichte bekamen.

Bibelboten reisten quer durchs Land und informierten in Gemeinden und Schulen über die Bibel und ihre Geschichte sowie über die weltweite Verbreitung der Bibel. Gemeinsam mit dem infolge des 2. Vatikanischen Konzils gegründeten Katholischen Bibelwerk in Klosterneuburg wurde bereits 1967 eine ökumenische Bibelausstellung erarbeitet, die jahrelang in Gemeinden im Einsatz war.

1970 war es soweit: Am 23. September wurde die Österreichische Bibelgesellschaft gegründet. Der langjährige Direktor Karl Uhl (seit 1936) trat in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde dann bis zu seiner Pensionierung 1996 Hugo Mayr. Präsident der Bibelgesellschaft war seit der Gründung 1970 Bischof Sakrausky bis 1986; ihm folgte dann bis 1998 Supt. Mag. Helmut Santer. Das Wiener Bibelhaus wurde zum wichtigen Umschlagplatz für Bibeln für die Staaten des Ostblocks. Seit den 70-er Jahren gibt die Bibelgesellschaft die Schulbibelausgaben für den Evangelischen Religionsunterricht heraus. Die Verlagstätigkeit ist mit der Revision der Lutherbibel von 1984 stark eingeschränkt worden und die Bibelgesellschaft konzentriert sich auf den Vertrieb von Bibelausgaben.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 sollten sich die Aufgaben der Bibelgesellschaft neuerlich wandeln: Die bibelmissionarische Arbeit, Vorträge, Bibelkurse, die Besuche der Schulklassen sollten in den Vordergrund treten. Im Advent 1999 wurde – wieder ökumenisch gemeinsam mit dem Österr. Kath. Bibelwerk – die Wanderausstellung „Die Bibel erleben“, die zum Entdecken der Bibel mit allen Sinnen einlädt, präsentiert. Diese Ausstellung war seither an mehr als 70 Orten in ganz Österreich zu sehen und kann auf weit mehr als 100.000 Besucher verweisen. Das „Jahr der Bibel 2003“, für das die Bibelgesellschaft in Österreich maßgebliche Verantwortung trug, brachte neue Möglichkeit, die Bibel in die Gemeinden und in die Öffentlichkeit zu tragen. Vorträge, Bibelabende und lokale Ausstellungen wurden von der Bibelgesellschaft angeregt, gefördert und durchgeführt.

Ein Höhepunkt war der bundesweite ökumenische Schülerwettbewerb „Bibel in Kultur und Gesellschaft“, der im Herbst 2003 mit einem Festakt im Unterrichtsministerium gestartet und im Juni 2004 mit einem großen Fest im Stift Klosterneuburg abgeschlossen wurde. Als „Inspiration“ war kostenlos allen Schulen Österreichs die CD-ROM zur Bibelausstellung „Die Bibel erleben“ zur Verfügung gestellt worden. Die Vielzahl der kreativen Einsendungen zum Wettbewerb zeigte, dass die Bibel lebendig ist, dass neue Zugänge gefragt sind.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Bibelgesellschaft seit Ende der 90-er Jahre ist die kostenlose Bibelverbreitung unter Gefangenen, aber auch unter Flüchtlingen und Schubhäftlingen in deren Muttersprachen geworden.

Eröffnung des Bibelzentrums am Museumsquartier 2005

Mit Jahresbeginn 2003 wurde das Wiener Bibelhaus Geschichte. An seine Stelle sollte das im Frühjahr 2005 eröffnete „Bibelzentrum am Museumsquartier“ rücken. Im Erdgeschoss des neu entstandenen Gebäudekomplexes MQ-West mit seiner aufregenden und ausgezeichneten Architektur (Prof. Carl Pruscha) ist im Bibelzentrum die historische Bibliothek der Bibelgesellschaft zugänglich; Ausstellungselemente und vielfältigste Veranstaltungsangebote weisen auf die Geschichte und Bedeutung der Bibel hin. Die Medieninstallation „das wort in deiner zeit“ an der Fassade lädt Jung und Alt in den Abend- und Nachtstunden zur interaktiven Begegnung mit der Bibel ein.

Die engagierte und innovative Arbeit der Österreichischen Bibelgesellschaft lebt von Zuwendungen der Mitgliedskirchen, von den Spenden einzelner Christinnen und Christen in ganz Österreich, aber auch – vor allem für die Arbeit des Bibelzentrums – immer wieder von Subventionen und von Sponsoring. Getragen wird die Arbeit der Bibelgesellschaft von zwölf Mitgliedskirchen: Hier ist vor natürlich vor allem die Evangelische Kirche A.B. zu nennen, ferner die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-Methodistische Kirche sowie die Altkatholische Kirche. In der Vollversammlung der Bibelgesellschaft sind seit den Anfängen aber auch der Bund der Baptistengemeinden, die Freien Christengemeinden und die Heilsarmee vertreten. Im Zuge der Ökumene sind heute auch die Armenisch-Apostolische Kirche, die Griechisch-Orthodoxe Kirche, die Rumänisch-Orthodoxe Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche sowie die Anglikanische Kirche Mitglied. Begleitet wird die Arbeit der Bibelgesellschaft traditionell von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Als Mitglied im Weltbund der Bibelgesellschaften (United Bible Societies) mit seinen 144 nationalen Bibelgesellschaften weiß sich die Österreichische Bibelgesellschaft auch der Begleitung und finanziellen Unterstützung von Bibelübersetzungs- und Bibelverbreitungsprojekten im Ausland sowie Kooperationen besonders mit den Nachbarländern verbunden.

Seit 1998 ist Präsident der Bibelgesellschaft der Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. in Niederösterreich, Mag. Paul Weiland. Direktorin der Bibelgesellschaft ist seit 1996 die evangelische Theologin Dr. Jutta Henner.

Von Jutta Henner