„Die Gemeinschaft und Teilhabe an der Erlösungsgeschichte Gottes sind die Größe und Bestimmung des Menschen. Und so besteht die Schwarze Theologie darauf, dass der schwarze Mensch von niemandem in der ganzen Welt die Erlaubnis braucht, sein Erbe als Kind Gottes anzutreten. Derselbe Gott hat ihn erschaffen, derselbe Sohn hat ihn erlöst, derselbe Heilige Geist hat ihn geheiligt. Durch Schöpfung, Erlösung und Heiligung hat er ein unveräußerliches Recht auf Menschsein und Persönlichkeit. Eine der schwerwiegenden Folgen des Apartheid-Systems ist die Erzeugung einer Nicht-Identität für die schwarze und farbige Bevölkerung. Ihre Rechte werden danach festgelegt, nach dem, was sie nicht sind, nämlich Nicht – Weiße. Das führt zu einer Mentalität, in der fehlende Würde und Minderwertigkeit verinnerlicht wurden (Bantu-Erziehung). Es muss gelingen, dass der schwarze Mensch seine Würde als Mensch zurückgewinnt. Eine andere Tragweite ist es, dass die Unterdrücker in dem Maße entmenschlicht sind wie seine Opfer entmenschlicht sind. Die Unterdrücker werden ihre Menschlichkeit nur in dem Maße wieder erlangen, wie ihre Opfer sie wieder erlangen. Und was noch viel wichtiger ist, die Unterdrücker bedürfen dringend der Vergebung ihrer Opfer. Es kommt auch auf die Befreiung der weißen Menschen an.“
(Desmond Tutu 1976, in: Versöhnung ist unteilbar, Peter Hammer Verlag, 1986 2. Auflage, 32 u. 42)

In den Jahren des Apartheidregimes war es die Anti-Apartheid-Bewegung (AABiÖ), die Kontakte zu Christinnen und Christen in Südafrika aufbaute, die sich der Abschaffung der Rassentrennung verschrieben hatten. Z. B. begrüßten wir Pfarrer Dr. Christiaan Frederick Beyers Naudé in Wien, verstorben 2004.1963 gründete er das „Christliche Institut“, das durch Bildungsarbeit einen Beitrag zur Überwindung des tiefen Grabens zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Südafrika leisten wollte. 1977 wurde diese Einrichtung verboten. Gleichzeitig wurde Beyers Naudé für sieben Jahre unter Bann gestellt; er durfte öffentlich nicht mehr reden, schreiben oder zitiert werden. Privat konnte er nur noch mit jeweils einer anderen Person zusammen sein, der Pass wurde ihm abgenommen. Von 1985 bis 1987 war er Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates. Auch der Theologe Dr. Wolfram Kistner, von 1976 bis 1988 Leiter der Abteilung für „Gerechtigkeit und Versöhnung“ im Südafrikanischen Kirchenrat, war Gast der Anti-Apartheit-Bewegung. Er war einer der bedeutendsten Befreiungstheologen in Südafrika und prägte die Haltung der südafrikanischen Kirchen im Kampf gegen die Apartheid. Unter der Notstandsgesetzgebung Südafrikas wurde er 1986 für eine Woche verhaftet und für ein halbes Jahr unter Hausarrest gestellt. Er verstarb 2006. Ebenso kam der Theologe und Religionswissenschaftler Pfarrer Allan Boesak nach Wien. Er wurde offiziell aufgrund der Rassengesetzgebung als „Coloured“ eingestuft. Er verstand sich aber als schwarzer Südafrikaner im Sinne der unterdrückten Nicht-Weißen. Er setzte sich mit der schwarzen Theologie auseinander und galt als ein solider Bibeltheologe. Von diesen genannten Persönlichkeiten bekamen wir Informationen aus erster Hand. Diese Begegnungen waren eindrucksvoll und sehr bewegend. Allerdings war man seitens des Südafrikanischen Kirchenrates aufs höchste erstaunt, dass die Evangelische Kirche in Österreich keine offiziellen solidarischen Kontakte zu Südafrika knüpfte.

Folgender Antwortbrief an die AABiÖ unter dem Vorsitz von Dr. Peter Fleissner im Jahre 1982 macht die damalige Einstellung des Evangelischen Oberkirchenrates zum Apartheid-Regime deutlich. Ein Ansuchen der AABiÖ um finanzielle Unterstützung wurde abgelehnt:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Schon vor längerer Zeit hat die Synode der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich beschlossen, aus gesamtkirchlichen Mitteln keinerlei Unterstützung für das Projekt des Sonderfonds des Anti-Rassismus-Programmes des Ökumenischen Rates der Kirchen zu geben. Wenn auch die Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich nicht unmittelbar mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen zusammenhängt, sondern eine eigene Initiative ist, so lehnt der Evangelische Oberkirchenrat Ihre höfliche Bitte dennoch ab, da wir der Meinung sind, dass jede politische Eskalierung der rassischen Fronten in Südafrika nur einer echten, wenn auch langsamen Assimilationspolitik im Wege steht. Wir sind weiter der Meinung, dass die Südafrikanische Union sich durchaus um gerechte Beziehungen zwischen den Rassen und damit auch den sozialen Unterschieden bemüht.
Mit der Bitte um Verständnis grüßen wir Sie
mit vorzüglicher Hochachtung
Evangelischer Oberkirchenrat A.B. Wien

Ende der 80er Jahre war es endlich möglich, dass Vertreter des African Congress aus Südafrika vom Evangelischen Oberkirchenrat zu einem Gespräch eingeladen wurden. Bereits 1976 setzte der verstorbene Universitätsprofessor für Systematische Theologie, Dr. Wilhelm Dantine, ein bemerkenswertes Zeichen mit seinem Büchlein „Schwarze Theologie – Eine Herausforderung der Theologie der Weißen?“ (Herder Verlag).

Dr. Wilhelm Dantine wollte den Traktat als Zeichen der Ermutigung verstanden wissen, der Zukunft von Christenheit und Menschheit zu begegnen:
„Im Grunde ergeht die Herausforderung an die gesamte, christliche wie nichtchristliche weiße Menschheit, weil diese weder ihre Mitverantwortung an der Geschichte der weißen Kirche und Theologien noch auch die Mitbenützung des christlichen Glaubens für ihre imperialen und kolonialen Herrschaftssysteme leugnen kann und darum mindestens indirekt an der Vermittlung des christlichen Erbes an schwarze Menschen beteiligt ist. Mag Schwarze Theologie erst numerisch gering in Erscheinung zu treten, so bedeutet sie doch ein grundsätzliches Infragestellen weißer Herrschaft, weißer Kultur und weißen Geistes, da sie sich anmaßt, dieses Erbe eigenständig aufzuarbeiten und autonom für sich fruchtbar zu machen.

Christliche Theologie wird daher durch die „Schwarze Theologie“ keineswegs bloß gefragt, ob sie diese oder jene kosmetische Variante zu ertragen vermag, sondern sie wird in ihrer Gesamtheit zur Überprüfung der Wahrheit ihrer Fundamente wie auch ihrer geschichtlich gewordenen Gestalt aufgefordert. In diesem Sinne reiht sich die Schwarze Theologie in neuartiger Weise in die Kette von Provokationen ein, die die christliche Wahrheit zu ihrem eigenen Heil seit eh und je aus ihrem eigenen Schoße geboren hat. Mit Hilfe der Schwarzen Theologie könnte das gegenwärtige Christentum jenen nötigen Schritt der Buße vollziehen, der ihm heute angesichts der gesamten Weltlage abgefordert ist.“
(Wilhelm Dantine, Schwarze Theologie, Herder , 1976, 109f)

Die Ehrung von Desmond Tutu fand 41 Jahre nach der Begründung des Programms zur Bekämpfung des Rassismus statt, das durch den Ökumenischen Rat der Kirchen 1968 ins Leben gerufen wurde. Dieses Programm hatte zwei Standbeine – Bewusstseinsbildung und finanzielle Unterstützung für die Opfer der Apartheid und des Rassismus.

Der ehemalige Leiter der Evangelischen Akademie Wien, Prof. D. Ulrich Trinks, setzte sich ganz besonders dafür ein und gewann viele Mitstreiter. Sein Vorschlag war, in Sambia ein Bildungsprojekt zur Abschaffung der Apartheid zu unterstützen. Ulrich Trinks und viele andere empörte Zeitgenossen brachten einen entsprechenden Antrag in die Synode A.B. ein. Dieser wurde abgewiesen, den Pfarrerinnen, Pfarrern und den Pfarrgemeinden eine offizielle Unterstützung unterbunden. Bedauerlicherweise wurden keine Alternativen aufgezeigt. Ulrich Trinks ließ sich nicht unterkriegen und brachte viele verschiedene evangelische Gruppen an einen Tisch. Ich vertrat dabei das Evangelische Jugendwerk.

Daraus entwickelte sich Anfang der 70er Jahre die Arbeitsgemeinschaft „Dienst für die Welt“, die auch von den Methodisten unterstützt wurde. „Dienst für die Welt“ informierte, warb und sammelte Geld für dieses Projekt. Anlässlich einer privaten Reise nach Afrika machte ich in Lusaka/Sambia halt und besuchte die Projektgruppe, für die wir sammelten. Ich konnte mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass engagiert gearbeitet wurde. Plakate, Folder, Einladungen, Informationsschriften waren druckfertig am Tisch
Viele von uns, die wir das biblische Wort aus dem 1. Brief an die Korinther, Kapitel 12: „Der Leib Christi sei nicht von einer Grenze durchzogen, sondern die Glieder sollen sich gemeinsam umeinander sorgen. Und wenn ein Körperteil leidet, leiden alle anderen mit“ ernst nahmen, schlossen sich Solidaritätsbewegungen an, um sozialpolitisches Engagement zu verwirklichen. Entscheidender Anlass, eine Solidaritätsgruppe für das südliche Afrika zu gründen, waren die Schüleraufstände in Soweto, Johannesburg, die am 16. Juni 1976 begannen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich gerade in Nairobi/Kenya als Koordinatorin und Begleitung für Entwicklungshelferprojekte. Es war, als ob eine Bombe explodierte, als die Nachricht kam: Polizei schießt in Soweto, es hat bereits Tote gegeben.

Was war geschehen? Etwa 20.000 afrikanische Schüler kehrten nach dem pflichtmäßigen Morgengebet nicht mehr in ihre Klassenräume zurück, sondern zogen in Schuluniform protestierend auf die Straßen. Sie formierten sich zu ordentlichen und friedlichen Demonstrationszügen. Sie sangen und hielten Plakate hoch, auf denen zu lesen war: Nieder mit Afrikaans, Zur Hölle mit Afrikaans, Afrikaans als Unterrichtsprache wollen wir nicht. Dieser Protest richtete sich gegen die von der Regierung angeordnete Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache. Schüler und deren Eltern konnten Afrikaans nur mangelhaft und es gab keine ausreichend gebildeten Lehrer. Für die schwarze Bevölkerung war Afrikaans die Sprache, in der ihnen Polizisten und Beamte täglich ihre Rechtlosigkeit demonstrierten, die Sprache des Systems, das sie unterdrückte und zu Menschen zweiter und dritter Klasse machte. Es war ein Protest gegen die gesamte Bantu-Erziehung, die ihnen aufgezwungen war, um sie zu einem besseren Werkzeug der Weißen auszubilden, die schwarze Mehrheit zu einer Dienstleistungsgesellschaft abzurichten.

Dann geschah es – ein weißer Polizist schoss ohne Vorwarnung eine Tränengasgranate in die Menge. Die Schüler reagierten wütend und warfen mit Steinen zurück. Andere Polizisten eröffneten das Feuer. Der dreizehnjährige Hector Peterson starb als erster – er war in die Brust getroffen worden. Ein Bild mit dem ermordeten, auf die Arme genommenen Hector lief um die ganze Welt. An diesem und den nächsten beiden Tagen tötete die Polizei mehr als 500 Jugendliche zwischen 7 und 25 Jahren. Aufstände wurden auch in anderen Townships organisiert aus Solidarität zu ihren Altersgenossen in Soweto. Insgesamt gab es über 1000 Tote, ungezählte Verletzte und nach offizieller Darstellung 6.000 Verhaftungen. Dieser unvergessene Massenmord verdeutlicht das Leid der schwarzen Kinder und Jugendlichen. Der Aufstand von Soweto hat tiefe Spuren im südafrikanischen Befreiungskampf hinterlassen.

Der Abscheu gegenüber den Gewaltakten der Polizei, deren Opfer Kinder und Jugendliche waren, hat viele engagierte Menschen in Wien herausgefordert. So begannen wir im Herbst 1976 die Vorbereitung zur Gründung des Vereins Anti- Apartheid-Bewegung (AABiÖ). Zur Mitarbeit hatten sich Evangelische und Freunde aus anderen kirchlichen und gesellschaftlichen Gruppen bereit erklärt. Wir begannen bereits vor der erfolgten Gründung im Frühjahr 1977 unsere Arbeit aufzunehmen. Von da an war ich stellvertretende Vorsitzende und ab 1982 bis 1988 Vorsitzende des Vorstandes der Anti-Apartheid-Bewegung in Österreich.

Begonnen hat meine Sympathie und Neugier für Afrika durch meine missionstheologische Arbeit an der Fakultät (Studium von 1962 bis 1968). Für mich war die ökumenische Literatur von großer Bedeutung, die mir die damals modernen Strömungen der Missionstheologie vermittelten. Besonders der Stamm der Tschagga in Tansania hatte es mir angetan. Dabei wurde mir klar, dass die Hinführung zum Christentum nur im Kontext der Lebensbedingungen und der Kultur der afrikanischen Menschen geschehen kann. Außerdem müssen die Wunden ernst genommen werden, die Folgen des Kolonialismus sind.

So kam es dann 1968 zu meinem ersten Einsatz in einer ökumenisch offenen katholischen Missionsstation in der Nähe des Victoriasees in Kenya. Mein Mann baute eine Baugenossenschaft auf und ich unterrichtete verschiedene Fächer in der Sekundarschule, vor allem Religion. Heute sind wir noch in Verbindung mit einem ehemaligen Schüler und seiner Familie. Dieser erste Einsatz in Kenya hat uns sehr geprägt, wir haben sicher mehr gelernt als wir von uns hergeben konnten. Als Konsequenz daraus engagierte ich mich ehrenamtlich für die Entwicklungspolitik, deren Anliegen ich als Referentin im Evangelischen Jugendwerk Österreich vertrat. Gleichzeitig war ich auch Delegierte im Österreichischen Jugendrat für Entwicklungshilfe. Von Ende 1971 bis 1976 arbeitete ich dort als Projektreferentin für die Aussendung von Entwicklungshelferinnen. In diesem Rahmen kam es dann zu dem bereits erwähnten neuerlichen Einsatz in Kenya

Anschließend übernahm ich die Stelle einer evangelischen Religionspädagogin an verschiedenen Schulen in Wien. Bis zur Pensionierung 2001 blieb ich im Religionsunterricht, arbeitete bis 1988 in der Antiapartheid-Bewegung. Univ. Prof. Dr. Walter Sauer folgte mir nach. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich Solidaritätsarbeit nicht mehr mit meinem Beruf vereinbaren. Mein Engagement für Entwicklungszusammenarbeit und für die Abschaffung der Apartheid war nicht überall gerne gesehen. Ich erweckte den Eindruck, ich ginge auf die Barrikaden und würde mich für nichts anderes mehr interessieren. Dass Christinnen und Christen im Sinne des Evangeliums und der Ökumene für die Not der Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika sich verantwortlich fühlen, ist heute kein Stigma mehr.

Was waren die wesentlichen Anliegen der AABiÖ? Unterstützung der Aktion Früchteboykott und Sammlung von Unterschriften bei den Boykottwochen, die sich auf ganz Österreich ausweiteten. Erarbeitung von Materialien für ein Sanktionspaket gegen wirtschaftliche, kulturelle, diplomatische und touristische Beziehungen Österreichs zu Südafrika. Hier erinnere ich mich an die große Demonstration im September 1985 auf dem Ballhausplatz, bei der ich eine Rede hielt und mit Nachdruck die Bundesregierung zu dringenden Maßnahmen zur Abschaffung der Apartheid aufforderte. Am 21. Juli 1985 wurde wieder der Ausnahmezustand in Südafrika ausgerufen – das bedeutete eine brutale Entwicklung von Gewalt und Terror.

Aus der Rede der Vorsitzenden der AABiÖ 1985

Neben der Darstellung aller dringlich gebotenen Sanktionen gab ich bekannt, dass die Soldaten des österreichischen Bundesheeres immer noch südafrikanisches Dosenobst bekommen. Auf eine Anfrage der Anti-Apartheid-Bewegung argumentierte der damalige Bundesminister Frischenschlager: „Das österreichische Bundesheer ist zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet und wird daher weiterhin marktkonform gehen, d. h. seinen Bedarf dort decken, wo es für den Steuerzahler am wenigsten belastend ist.“ Auf die Alternative, unsere Soldaten mit österreichischem Frischobst zu versorgen, ging der Bundesminister nicht ein. Offensichtlich ist die Unterstützung der Apartheid von größerem Interesse als die Förderung heimischer Landwirtschaft

Das Ergebnis österreichischer Beziehungen sei nun, dass sieben Milliarden österreichische Schillinge nicht mehr zurückgezahlt werden können. Davon sind nur 100 Millionen bei der Österreichischen Kontrollbank sicher gestellt. Das ist das Ergebnis einer falsch verstandenen Neutralitätspolitik gegenüber dem Rassismus

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
wir erwarten von Ihnen ein eindeutiges Bekenntnis. Sonst werden wir uns fragen, in welchem Staat leben wir? Die Beraubung der Würde und der grundlegenden Menschenrechte, wie dies in Südafrika täglich praktiziert wird, ist eine Absage an all das, wofür Menschen in Europa gekämpft, gelitten haben und gestorben sind. Österreicher sind für die Demokratie, die Religionsfreiheit, und gegen den Faschismus eingetreten. Gilt das nur für uns? Deshalb fordern wir die Bundesregierung, das Parlament und die Öffentlichkeit dazu auf, sofort zu handeln.
Die Zukunft Südafrikas liegt nicht in einer Reformpolitik und der Aggression nach außen, sondern in der Verwirklichung der Freiheitscharta, wie sie 1955 in Kliptown formuliert wurde: Südafrika gehört allen, die darin wohnen – Schwarzen und Weißen. Deswegen rufen wir Sie alle auf, diesen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde in Südafrika zu unterstützen. Werden Sie nicht müde! Lassen Sie sich nicht entmutigen! Unterstützen Sie die Befreiungsbewegungen African National Congress und SWAPO von Nambia, sowie alle demokratischen und anti-rassistischen Organisationen Südafrikas.
Amandla“

Meine Tätigkeit erstreckte sich aber nicht nur im Halten von Reden an öffentlichen Orten. Als Lehrerin war es naheliegend, dass ich mich besonders in der Bewusstseinsbildung engagierte. Mit über 30 Veranstaltungen (Vorträge, Dias, Filme und Podiumsdiskussionen) konnte ich die Anliegen der AABiÖ fördern. Darüber hinaus machte ich auf Anfrage Workshops in Schulen und Gemeinden. Zu besonderen Anlässen, wie z. B. am Soweto-Gedenktag, feierten wir ökumenische Nachtgebete und Solidaritätsgottesdienste. Regelmäßige Vorstandssitzungen, Vorbereitung von Aktionen und Finanzierung von Projekten, Materialien, Aussendung des Informationsbulletins und unendlich viel Schreibarbeiten sowie Kontakte zu anderen Organisationen prägten meine Arbeit.

Besonders wichtig waren für mich die Zusammenarbeit und Begegnung mit den Vertreter von ANC und Swapo im Exil, die immer wieder herausforderten und in Frage stellten. Sehr fruchtbar war der Kontakt zum Weltkirchenrat, PCR (Programm zur Bekämpfung des Rassismus), denn wir erhielten mehrmals Subventionen für unsere Arbeit, wofür ich noch heute dankbar bin.
Wenn ich diese Solidaritätsarbeit nun betrachte, so erkenne ich ganz deutlich, dass die Aktion Früchteboykott und die Anti-Apartheid-Bewegung großartige Modelle sind, wie Frau/Mann demokratisch für die Durchsetzung der Menschenrechte und Menschenwürde arbeiten kann. Besonders hervorzuheben ist, dass bei der Frage der Sanktionen, Einforderung und Kritik an den Verletzungen, ausgezeichnete Recherchen angestellt wurden, um zu unangreifbaren Fakten zu kommen. Die internationalen Kontakte spielten dabei eine herausragende Rolle. „Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ Diese Spruchweisheit der Mandinka, Afrika, hat mich persönlich begleitet und ermutigt. Jetzt sind Namibia und Südafrika frei. Aber unsere Verantwortung für die Menschen in diesen Ländern endet nicht am Tag ihrer Freiheit, denn die Solidarität geht weiter

An dieser Stelle danke ich allen meinen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern, mit denen ich diesen aufregenden, aber schweren Weg der Solidarität für Namibia und Südafrika gehen konnte. Diese Zeit ist mir unvergesslich und hat einen großen Eindruck auf mein Leben, mein Denken und meine Spiritualität hinterlassen. Gleichzeitig mache ich jungen Menschen Mut, sich auf diese Weise einzusetzen – auch gerade in unserem Land Österreich.

Von Mag. Ingrid Gaisrucker, Pfarrerin im Ehrenamt