Als 18-jähriges Mädchen war sie 1930 zu ihrer Tante nach Wien gekommen. Die leitete den Wiener Fechtsaal. Müller-Preis wurde nur ein halbes Jahr später österreichische Staatsmeisterin und im Jahr darauf Dritte der Europameisterschaft in Wien. Als Doppelstaatsbürgerin fragte sie zuerst beim deutschen Verband um die Entsendung zu den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles an, wurde aber abgelehnt. So reiste sie für Österreich zu den Sommerspielen in die USA. Die 20-Jährige holte Gold, es sollte das bis heute einzige in der Geschichte des heimischen Fechtverbands bleiben.

In ihrer langen Laufbahn gewann Ellen Müller-Preis 1936 in Berlin und 1948 in London zwei weitere olympische Bronzemedaillen. Dazu kamen drei Weltmeister-Titel (1947, 1949, 1950) sowie zwischen 1931 und 1957 acht weitere WM- Medaillen und 21 nationale Meistertitel. Die Bronzene 1948 war bislang das letzte Olympia- Edelmetall für Österreichs Fechtsport. Auch als Universitätsprofessorin an der Wiener Hochschule für Musik und darstellende Kunst und dem angeschlossenen Max Reinhardt-Seminar hatte sie Erfolg und brachte unzähligen Künstlern von Burg und Oper das Bühnen-Fechten bei: Mit Helmut Lohner, Gertraud Jesserer oder Erika Pluhar, Herbert von Karajan, Michael Heltau u.a. hatte Müller-Preis beruflichen Kontakt.

Sie war überzeugt von einer Ethik im Sport und sprach sich wiederholt für Fairness aus: »Mit der richtigen Auffassung vom Leben hat man auch so Erfolg. Wir haben sehr häufig die Treffer selbst angesagt, denn wir waren sehr fair zueinander. Man sollte lieber verlieren, als unfair zu sein.« Bei einem Fest zu Ehren ihres 95. Geburtstags mit zahlreicher Prominenz aus Sport, Kultur und Politik, erklärte sie das Geheimnis ihres Alters so: »Das sind zum einen die Gene als Geschenk eines Allmächtigen. Zum Teil liegt das auch daran, wie man sein Leben aufbaut und formt. Ich bin immer noch sehr neugierig und verstehe mich mit der Jugend sehr gut. Und natürlich liegt das zum Teil auch am Sport.«

Die Tochter eines Steirers und einer Rheinländerin war auch Mutter zweier Söhne und nach ihrer über rund drei Jahrzehnte langen Sportkarriere als Pädagogin tätig. Sie war evangelisch A. B.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 114-115.