Unternehmer und Erfinder

Rudolf Schmidt I., geboren am 29. März 1865 in Ründeroth, Preußen, gestorben am 24. November 1928 in Hinterbrühl, Niederösterreich, entstammte einer Familie, in der die Tradition des Schmiedehandwerks bis Anfang des 18. Jahrhunderts zurückverfolgt werden kann. Sein Vater Christoph Schmidt besaß eine Wagenfabrik. Sein Bruder war an der Firma Schmidt & Clemens, Frankfurt/Main, beteiligt und Rudolf Schmidt ist einige Jahr in dieser Frankfurter Stahlgroßhandlung tätig gewesen. 1892 übersiedelte er mit seiner Gattin Marie geb. Kind, die wie er aus dem Oberbergischen Kreis stammte, nach Wien und machte sich selbstständig. Mit seinem Kompagnon Hugo Christian Rosenthal gründete er 1892 das Unternehmen Rudolf Schmidt & Co. Zuerst begann man mit der Fabrikation von Feilen, dann kam ein Stahlhammerwerk dazu. Das Unternehmen expandierte innerhalb der Donaumonarchie, in der Zwischenkriegszeit auch ins Ausland, und die Liste der angebotenen Fabrikate war bereits zur Zeit des 25jährigen Jubiläums sehr umfangreich. 1924 erhielt der österreichische Unternehmensteil als »Österreichische Schmidtstahlwerke AG.« eine neue Rechtsform und war berechtigt, das österreichische Staatswappen zu führen. Das Firmengebäude ließen sich die Schmidts von Heinrich Adam, der mit Rudolf Schmidt dem Presbyterium der Evangelisch-Reformierten Pfarrgemeinde angehörte, erbauen.
Rudolf Schmidt I. war nicht nur Presbyter der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B., er war auch stark beteiligt an der Gründung der späteren Evangelischen Pfarrgemeinde H.B.Wien-Süd, in deren Gebiet auch das Hauptwerk der Schmidtstahlwerke lag.

Rudolf Schmidt ll., geboren am 24. November 1894 in Wien, gestorben am 19. April 1955 ebenfalls in Wien, studierte an der Montanistischen Hochschule in Leoben, trat danach in das Familienunternehmen ein und übernahm 1928 nach dem Tod des Vaters die gesamte Firmenleitung. Im Zug der Weltwirtschaftskrise 1932 kam es zum Verkauf der ausländischen Betriebsteile und 1934 zur Verkleinerung des Betriebes. Rudolf Schmidt ll. konzentrierte seine Arbeit auf die Weiterentwicklung von Stahlbeton und erfand 1936 den TOR-Stahl, einen durch Torsion kaltverfestigten Bewehrungsstahl für Betonbauten. Der »TOR-Stahl« begeisterte Bauingenieure, Professoren der Technischen Hochschule und Behördenvertreter in Österreich rasch. Nach 1938 konnte sich die Überlegenheit des Materials, das inzwischen von mehreren Großstahlwerken erzeugt wurde, sowohl im Deutschen Reich als auch weltweit durchsetzen – Schmidt hatte das Weltpatent – und spielte bei der Behebung der Kriegsschäden nach dem Zweiten Weltkrieg und beim Wiederaufbau eine entscheidende Rolle.
Rudolf Schmidt II. war ebenfalls Presbyter in der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B. Wien-Innere Stadt und starb 1955 an den Folgen seines Kriegsdienstes in den Jahren 1914 bis 1918 – die Entwicklung zum finalen Produkt »Rippen-TOR-Stahl« erlebte er nicht mehr.

Sein Sohn Gewerke Rudolf Schmidt III., geboren 1924, führte das Werk bis zu dessen Schließung 1985 (Stahlkrise) zu großen Erfolgen in Europa und Übersee. Rippen-TOR-Stahl sparte 1960 bis 1985 Millionen Tonnen Stahl auf der Welt ein und hatte damit einen ökologischen Nebennutzen.
Gewerke Rudolf Schmidt III., war die typische Verkörperung eines patriarchalen calvinistischen Unternehmers mit hoher Sozialverantwortung für seine Leute. Als Sammler und Privatgelehrter arbeitete er an der Erforschung alter Globen und war Mitglied der »Internationalen Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde« sowie 22 Jahre ihr Präsident.
Wie sein Vater und Großvater war auch er Presbyter der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B. in Wien Innere Stadt und eine der bedeutenden Persönlichkeiten des evangelischen Österreich: Er war Mitglied der Synode H.B. und des Präsidiums der Generalsynode (A.B. und H.B.); von 1968 bis 1976 ist er als Mitglied des Oberkirchenrates H.B. Synodalkurator und damit höchstrangiger Laie der Evangelischen Kirche H.B. gewesen. 1998, bedingt durch den plötzlichen Tod von Synodalkurator Norman Uibeleisen, sprang er noch einmal für einige Monate ein und stand seiner Kirche in dieser Notsituation mit Rat und Tat zur Seite.
Rudolf Schmidt III. erhielt mehrere Auszeichnungen und wurde im Familiengrab auf dem Friedhof Hinterbrühl bestattet.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Literatur (Auswahl):

  • Rudolf Schmidt II. – Der TOR-Stahl. In: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 128-129.