Auf dem Höhepunkt seines Lebens war er als politischer Schriftsteller, Staatstheoretiker, Politiker und Berater Metternichs unentbehrlich und unersetzbar für die konservativrestaurative Politik Österreichs nach dem Wiener Kongress. Anfangs begrüßte Gentz wohl, inspiriert von den Schriften und Publikationen Jean-Jacques Rousseaus, die Französischen Revolution. So versuchte er in seiner Erstlingsschrift »Ueber den Ursprung und die obersten Prinzipien des Rechts«, die 1791 in der Berlinischen Monatsschrift publiziert wurde, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die französische Nationalversammlung zu rechtfertigen.

In allen übrigen Schriften kritisierte er die Französische Revolution und die Napoleonische Expansionspolitik. Wie Edmund Burke vertrat Gentz die Idee einer auf Rationalität und Kontinuität basierenden Reformpolitik, die jeder Revolution vorbeugen sollte und lehnte die aufklärerischen Ideale von Menschenrechten, Volkssouveränität, Freiheit und Gleichheit als unhistorisch und wider die Prinzipien der Tradition und des geschichtlichen Bewährens ab. Die alte monarchische Ordnung galt ihm als höchst schützenswert, weil sie Kontinuität sicherstellte. Gentz war sich jedoch der Diskrepanz von statischer politischer Ordnung und geschichtlicher Dynamik bewusst. Deshalb plädierte er für ein Gleichgewichtssystem, das sowohl außen- als auch innenpolitisch Krieg und Revolution abwehren kann. Als Mensch des 18.Jahrhunderts hat Gentz Politik als Wissenschaft und Kunst betrieben.

Besonders schätzte Metternich Gentz’ Rat bei der Gründung eines offiziösen Presseorgans, des Österreichischen Beobachters, im Jahr 1810. Gentz nahm so als erster Sekretär und Protokollführer 1814/1815 am Wiener Kongress teil, ebenso wie an allen Folgekongressen bis 1822, und half Metternich bei der Formulierung und Durchsetzung der Repressionspolitik des Deutschen Bundes gegen die liberalen und nationalen Strömungen. Spätestens als Urheber der in den Karlsbader Beschlüssen 1819 verabschiedeten Zensurpolitik wurde Gentz ebenso wie Metternich zum gehassten Symbol des Zeitalters der Restauration, sowohl auf dem Feld der hohen Politik wie auch als Träger der konservativen Tendenz im Innern. Bei persönlich freier Lebensführung blieb seine Gesinnung antiliberal.

Gentz ist auch auf einem ganz anderen Gebiet berühmt geworden, nämlich durch seine Geliebte, die weltberühmte Wiener Tänzerin Fanny Elßler (1810-1884). Elßler, die aus kleinen Verhältnissen stammte, wurde bereits im Alter von 14 Jahren entdeckt und war eine der bekanntesten Balletttänzerinnen ihrer Zeit. In ihren ausdrucksvollen Darbietungen vereinte sie tänzerische Anmut und Grazie und gelangte so zu weltweiter Popularität. Fanny Elßler vermochte es, im Tanz die Herzen der Männerwelt zu erobern. Mit jungen 19 Jahren wurde sie 1829 die Geliebte des über vierzig Jahre älteren Gentz. Aus dem Briefwechsel zwischen Elßler und Gentz und seinem Tagebuch geht hervor, dass sie – trotz des großen Altersunterschieds – eine glückliche Liebesbeziehung führten, die 1832 mit dem Tod von Gentz endete. Übrigens: Metternich und Fanny Elßler verdankten es Gentz, dass er im Wiener Film eine häufige Nebenfigur war.

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Berlin studierte er in Königsberg, wo er Kant persönlich kennen lernte und auch zum kleinen Kreis seiner Schüler gehörte. 1785 trat er die Beamtenlaufbahn am preußischen Hof an und brachte es 1793 bis zum Kriegsrat. Er war drauf und dran, ein progressiver Politiker zu werden. Als Publizist stand er stark unter dem Einfluss der Berliner Aufklärung. Aber auch Schiller, Goethe und Wilhelm von Humboldt beeinflussten ihn. In staats- und finanzpolitischen Dingen hielt er sich an Montesquieu und Adam Smith. 1793 übersetzte er Edmund Burkes »Betrachtungen über die Französische Revolution« ins Deutsche, wodurch er nicht nur sehr bekannt wurde, sondern auch gut verdiente. Revolutionäre Prinzipien bedeuteten ihm jetzt immer weniger.

Er wurde zu einem Befürworter der britischen Politik auf dem Kontinent und zu einem Vorkämpfer gegen die Störung des europäischen Gleichgewichts durch die französische Hegemoniepolitik. Dadurch und durch seinen bohemienhaften Lebensstil als Stammgast der Salons von Henriette Herz und Rahel Varnhagen wurde seine Stellung in Berlin unhaltbar. Nach einer Englandreise kam er 1802 durch Vermittlung Graf Stadions in den österreichischen Staatsdienst, um publizistisch den Widerstand gegen Napoleon zu organisieren. 1813 wurde er »wirklicher Hofrat«. Im Grunde stand er außerhalb der Beamtenschaft, arbeitete meist zu Hause mit eigenen Hilfskräften, führte das Leben eines Grandseigneurs, für das seine offiziellen und inoffiziellen Bezüge, die er vom Staat erhielt, nicht ausreichten. Doch verstand er es immer wieder, sich andere Einnahmequellen zu erschließen, die besonders aus England und durch seine jahrelange Berichterstattung für die Fürsten der Wallachei und das Haus Rothschild reichlich flossen.

Infolge der verlorenen Schlacht von Austerlitz musste Gentz 1805 jedoch ins Exil gehen und wurde erst 1809 nach Österreich zurückbeordert. Dort wurde er in den folgenden Jahren als Metternichs Staatsschriftsteller und Ghostwriter zu dessen rechter Hand bei der Konzeption der österreichischen Innen- und Außenpolitik.

Er leitete zusammen mit Johann Philipp Karl Graf Stadion den publizistischen Befreiungskampf von 1809 und 1813. Sein Einfluss reichte weit, in zahllosen Denkschriften, Korrespondenzen, nicht zuletzt auch in den Salons, führte eiserne geschliffene Klinge. Von Massenpropaganda hielt er wenig, sein Streben ging vornehmlich nach Einwirkung auf die europäischen Kabinette. Erst nach dem Wiener Kongress schien sich seine politische Gedankenwelt zu verwirklichen, er wurde zum »Generalstabschef« Metternichs, dem er in wechselvoller Anziehung und Abstoßung zeitlebens verbunden blieb. Als »Sekretär Europas« trug er nicht nur auf dem Wiener, sondern auch auf den folgenden Kongressen die Hauptlast der Routinearbeit, verstand aber auch hinter den Kulissen manche Fäden zu ziehen.

Gentz’ politische Karriere endete abrupt, als er Anfang der 1830er Jahre Metternichs Kurs kritisierte und dieser ihm daraufhin seine Gunst entzog.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 71 –73.