Sie trägt auf Grund ihres Lebenswerks zu Recht den Ehrentitel einer Nestorin ihres Faches. Im ersten Abschnitt ihres Lebens war sie Historikerin und Mittelschulprofessorin an Mädchenschulen in Wien. Sie hatte bald den Ruf einer Spezialistin für die österreichisch-spanischen Beziehungen erworben. Im zweiten Abschnitt ihres Lebens studierte sie evangelische Theologie und war in Rekordzeit Dr. theol. und habilitiert für Kirchengeschichte. Unzählige einschlägige Veröffentlichungen folgten, vor allem im »Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich«. Durch den Zürcher Kirchenhistoriker Fritz Blanke kam sie zur Täuferforschung (Täufer vulgo »Wiedertäufer«), Blanke hatte sie in seinem Seminar mit noch nicht edierten Täuferakten konfrontiert. Höhepunkt ihres wissenschaftlichen Lebenswerks ist die Edition der Quellen zur Geschichte der Täufer in Österreich. Als Täuferforscherin erlangte sie Weltruhm. Schon in ihrer Dissertation hatte sie von den Täufern behauptet, sie seien »die wahre Volksbewegung der Reformation« gewesen. Ihre Bemerkung, es sei »die große Tragik unserer Reformationsgeschichte« gewesen, »dass sich Luther so scharf gegen die Schwarmgeister gestellt hat«, hat ihr denn auch einen Tadel des Ordinarius für Kirchengeschichte Wilhelm Kühnert (1900-1980) eingetragen. Mit der Edition der österreichischen Täuferakten und vielen Studien zum Täufertum im Alpenraum, ganz zu schweigen von den Beiträgen für das Mennonitische Lexikon und die Mennonitische Enzyklopädie, hat sie dem »linken Flügel der Reformation« ein bleibendes Denkmal gesetzt. In ihren Vorträgen sprach sie originellerweise so, als hätte sie alles selbst erlebt.

Die Universität Bern verlieh ihr das theologische Ehrendoktorat (1965) und unterstrich damit den internationalen Rang ihrer Forschungen, der österreichische Bundespräsident verlieh ihr das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse (1982). Ihre Freundlichkeit, ihre hohe Selbstdisziplin und ihre Originalität machten sie sehr beliebt. Bis zu ihrem schweren Unfall 1984 stand sie mitten im Leben. Anlässlich ihres 85. Geburtstags gaben ihre Kollegen Alfred Raddatz und Kurt Lüthi die Festschrift »Evangelischer Glaube und Geschichte« heraus. Ihre »Geschichte des Protestantismus in Österreich« (1956) ist ein Standardwerk.

Als Vertreterin der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien in der Synode H.B. und als Vertreterin der Synode H.B. in der Generalsynode beider Evangelischer Kirchen in Österreich setzte sich Grete Mecenseffy vehement für die Frauenordination ein und wurde auch als eine der Ersten 1966 ordiniert. Ebenso vehement setzte sie sich für die Wiedereröffnung der Evangelischen Lehrerbildungsanstalt Oberschützen ein und übernahm in deren kritischen Anfangszeit das Amt der Direktorin. Mit Peter Karner zusammen leitete sie 1954—1972 die Redaktion des Reformierten Kirchenblatts.

Grete Mecenseffy wuchs in verschiedenen Garnisonsstädten der Habsburgermonarchie auf. Ihr Vater war Generalstabsoffizier Artur Edler von Mecenseffy (1865-1917), der als Feldmarschallleutnant im Ersten Weltkrieg in Venetien fiel, ihr Großvater väterlicherseits, Emil von Mecenseffy (1834-1919), war Bankfachmann und wurde für seine Verdienste um die Österreichische Nationalbank, die spätere Österreichisch-Ungarische Bank, nobilitiert; der Großvater mütterlicherseits, Moritz Thausing (1838-1884), wirkte als Direktor der Albertina in Wien und als Universitätsprofessor für Kunstgeschichte und galt als Dürerexperte.

Ihre Schulzeit absolvierte sie in Wien, Bozen und Prag. 1917 maturierte sie im Akademischen Gymnasium. Dann studierte sie Germanistik und Geschichte und promovierte 1921 zum Dr.phil. 1923-1945 war sie Professorin an Mädchenrealgymnasien, 1945-1947 beim British Military Government in Wien. Sie war zwar nicht Mitglied der NSDAP gewesen, aber überzeugte Nationalsozialistin. Das soll nicht verschwiegen werden, umso mehr, als sie wirklich einen Gesinnungswandel durchgemacht hat. Als Lehrerin wurde sie jedenfalls aus Gesinnungsgründen 1948 zwangspensioniert. Als sie von der bevorstehenden Pensionierung erfuhr, begann sie sofort mit dem Studium der Theologie – in Wien und Zürich. 1951 promovierte sie zum Dr. theol, 1952 habilitierte sie sich und nahm ihre Lehrtätigkeit an der Wiener Fakultät auf. 1958 wurde sie tit. ao. Professor, 1965 tit. o. Professor und bekam das Ehrendoktorat der Universität Bern. Am 18. Mai 1976 hielt sie ihre Abschiedsvorlesung.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 111-112.