Er war ein prominenter Historien- und Porträtmaler der Wiener Ringstraßenzeit und ein Zeitgenosse von Hans Makart. Seine besonderen Vorbilder waren Rubens und Tizian. Bei der Wiener Weltausstellung 1873 sorgte Hans Canon mit seinem Gemälde »Die Loge Johannis« – die Freimaurer hatten ihn damit beauftragt – für eine ökumenische Sensation. Das Gemälde ist eine in die traditionelle Form eines Altarbildes gekleidete »Aufforderung zu gegenseitiger Duldung der Konfessionen«. Das theologischprogressive Bild fand beim Wiener Publikum gute Aufnahme. Kaiser Franz Joseph erwarb es für die Kaiserliche Gemäldegalerie. Dort verschwand es allerdings nach einiger Zeit im Keller, gegenreformatorisches Gedankengut zählte eben immer noch zu den Vergnügungen der »kleinen Chefs«. 1996 wurde es in der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere wieder aufgestellt. Die reformierte Theologin Erika Tuppy gab dem Bild den provokanten Titel »Moses, Mutter der Kirche«.

»Das Werk versinnbildlicht den Gedanken, dass die christlichen Bekenntnisse nur im Äußeren verschieden sind: (es weist) auf das absolute Gesetz, wie es schon Moses verkündet hat, und auf die Lehre von der Liebe und der Versöhnung, die im Neuen Testamente niedergelegt ist. Oben in dem Bilde thront Moses, die Hand auf seine Gesetzestafeln gelegt, die der Israeliten wie der Christen gemeinschaftlich sind. Aus dem Boden des Judentums erwuchs das Christentum, und darum steht das Christuskind statt auf dem Schoße der jungfräulichen Mutter auf dem Schoße des großen Gesetzgebers, die Lehren verkündend, durch welche die Offenbarung des Allen Bundes ihre Ergänzung und ihren Abschluss für alle Zukunft erhalten hat. Seinen Fußschemel bilden die Schriften des Alten Testamentes; in der Linken hält es das Kreuz, weil es bereit ist, für seine Lehre in den Tod zu gehen. Was sein Mund spricht, lässt die Stelle des hl. Buches ahnen, die einer der im Vordergrund des Bildes Versammelten aufgeschlagen hat. Auch Johannes Baptista, der erste Vermittler des mosaischen Gesetzes mit der Lehre Christi, der Prediger der Buße und Einkehr in sich, der Verkünder der »Nähe des neuen Reiches« weist auf die Stelle hin, ihres endlichen Erfolges sicher, indem er die anwesenden Konfessionen auffordert, die Schranken zu durchbrechen, welche sie bis jetzt auseinandergehalten haben. »Liebet Euch untereinander«, so lauten die Worte, denen sich nun – hinfort kein leerer Schall mehr – die Herzen und Knie der Menschen beugen. Schon hat der greise Statthalter Christi die dreifache Krone und die Schlüssel Petri in Demut niedergelegt, und auch die griechische Kirche ist im Begriffe, sich ihrer Insignien zu begeben. Der Vertreter des Protestantismus, mit dem aufgeschlagenen Evangelium in den Händen, blickt fragend zu Johannes auf, ob er das rechte Wort getroffen habe, durch dessen Verwirklichung er aufgehört hat, »Protestant« zu sein. Ihm gegenüber ist der Vertreter der anglikanischen Kirche ebenfalls bereit, auf seine Sonderartikel zu verzichten. Das Letzte aber, die Versöhnung von Judentum und Christentum, ist als krönender Abschluss der ganzen Darstellung durch Verbindung des Erlösers mit Moses von vornherein ausgedrückt«« (Katalog der 59. Wechselausstellung »Hans Canon«, Oberes Belvedere, 1966, 41f).

Der große Erfolg, den Canon mit der »Loge Johannis« hatte, verschaffte dem Künstler hohes Ansehen und eine bis zu seinem Tod nicht mehr abreißende Folge bedeutendster Aufträge.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 50 – 51.