Eine neue Kunst wurde geboren, eine heilige: Ver Sacrum sollte verstaubte Förmlichkeit und Feudalismus auslüften und dem zu wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht gekommenen liberalen Bürgertum sowohl den geeigneten Rahmen und auch geeignete Fluchtwelten liefern. Die Secession war eine Befreiungsbewegung und zugleich eine Bewegung der Verinnerlichung, später dann im Verein mit dem sozialen Wohnbau auch international vorbildhaft und progressiv.

Da die Wienerinnen und Wiener immer auch lustig waren, nannten sie ihr Idol Hoffmann auch – auf den Nenner des einfachen Mannes gebracht – »Ouadratl-Hoffmann«. Die ausufernde und wuchernde Ornamentik des internationalen Jugendstils ersetzte er durch strenge geometrische Formen. Seine Grundfigur war das Quadrat. Als einer der berühmtesten Architekten und Innenarchitekten des Jugendstils in Wien gründete er die Wiener Werkstätte (1903) und den Österreichischen Werkbund (1912). Er war Schüler Carl von Hasenauers und Otto Wagners und gehörte als Mitglied des »Siebner-Clubs« zu den Mitbegründern der Wiener Secession. Er war der Wiener Secessionismus in Person und der Wegbereiter der Moderne in Wien. Der Elite von Kunsthandwerkern der Wiener Werkstätte gelang es, Gesamtdesigns für große Wohnanlagen und Häuser auszuführen. Mit Otto Wagner, Josef Olbrich und Adolf Loos schuf er in Wien eine architektonische Avantgarde, die auch international die Moderne befruchtete. Neben seiner funktionellen und formalen Erneuerung in Architektur und Kunsthandwerk sind mit seinem Namen auch großbürgerlicher Alltagsluxus und eine zum Gesamtkunstwerk stilisierte Lebensinszenierung verbunden. Das Großbürgertum hatte seine Innenaustatter und Architekten gefunden. Noch nicht dreißig Jahre alt baute er für verschiedene Mitglieder der Familie Wittgenstein, für Stahlbarone und Großindustrielle wie die Böhlers und Mautner-Markhofs.

Seine kometenhafte Karriere begann, als er von Mähren 1892, mit 22 Jahren, nach Wien kam und zunächst bei Hasenauer, dann bei Wagner Architektur studierte. Otto Wagner hatte gerade den Auftrag für sein größtes städtebauliches Projekt, die Gestaltung der Wiener Stadtbahn, erhalten. Nach einem Studienaufenthalt in Italien arbeitete Hoffmann mit den anderen Jungstars an der ersten Secessions-Ausstellung mit, bei der er auch den großen Mäzen der Secession, Karl Wittgenstein, kennenlernte. Die weit verzweigte Familie brachte ihm viele Aufträge und eine Position im Geflecht von Wirtschaft, Industrie und Kultur. Mit 30 Jahren wurde er Gestalter des Österreich-Beitrags für die Weltausstellung 1900 in Paris. Nachdem Joseph Maria Olbrich Wien verließ, übergab er Hoffmann das Projekt des Villenbaus der Künstlerkolonie auf der Hohen Warte. Carl Moll, Kolo Moser, der Fotograf Hugo Henneberg sowie der Industrielle und Fotograf Friedrich Viktor Spitzer wollten mit ihren Häusern den »Heiligen Frühling«, ein gesamtkunstwerkliches Lebenswerk, ausdrücken. Gemeinsam mit Klimt gestaltete er die Beethoven-Ausstellung als bedeutendste Secessions-Ausstellung, mit den Supraportenreliefs dieser Ausstellung gab er Abstraktion und Kubismus vor. Kunst wurde zur neuen Religion, ihr Weihehaus u. a. das Secessionsgebäude. Der Industrielle Fritz Wärndorfer wurde Mäzen der Wiener Werkstätten und ermöglichte die Realisierung des Traumes von einer eigenen Kunstwerkstätte, die er mit Kolo Moser auch international bekannt machte.

Hoffmanns bedeutendstes Bauwerk wurde das Sanatorium Purkersdorf, bei dessen Bau er die gestalterischen Prinzipien Otto Wagners vereinfachte, verdichtete und damit zu einem Pionier wurde. Das Sanatorium Purkersdorf baute Hoffmann in den Jahren 1904 bis 1905 für den Industriellen Victor Zuckerkandl, Bruder des bekannten Anatomen Emil Zuckerkandl. Dessen Frau Berta, Journalistin, Kunstkritikerin und berühmt für ihren Salon, war eine begeisterte Anhängerin des Secessionsstils und hatte ihrem Schwager Josef Hoffmann als Architekten für den Neubau der »Wasserheilanstalt samt Kurpark« in Purkersdorf empfohlen.

Sanatorium Purkersdorf, Foto Roman Klementschitz, Wien
Aus Wikimedia Commons

Mit Badekuren, physikalischen Therapien und dem neuesten Heilverfahren der Mechanotherapie – Heilmassage und Heilgymnastik –- behandelte man Rekonvaleszenzfälle und Nervenkrankheiten der großbürgerlichen Gesellschaft. Ruhe, Licht und Luft, die Rationalität der Anlage und das auf ein Minimum reduzierte Ornament sollten zur Heilung der neuen Modekrankheiten »Nervosität« und »Hysterie« beitragen. Exzentrische Millionäre, Aristokraten, Maharadschas und orientalische Damen zählten ebenso zur exklusiven Klientel des Sanatoriums wie der Wiener Geldadel, Intellektuelle und Künstler wie Arthur Schnitzler, Egon Friedeil, Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Hugo von Hofmannsthal und Kolo Moser. Mehr Hotel als Spital, avancierte das Sanatorium zum gesellschaftlichen und künstlerischen Treffpunkt von Wien. Der gesamte erste Stock war neben einem großen Speisezimmer, in dem die Damen in großer Toilette speisten, nur der Unterhaltung gewidmet. Lesezimmer, Spielzimmer für Kartenspiele, Tischtennis und Billard und auch ein Musikzimmer sollten den Aufenthalt im Sanatorium so kurzweilig wie möglich gestalten. Die Behandlungsräume, die Bäder und der Turnsaal befanden sich im Erdgeschoß. Gemeinsam mit seinem Partner Kolo Moser entwarf Hoffmann sämtliche Einrichtungsgegenstände des Hauses. Die Einrichtung des Sanatoriums war einer der ersten großen Aufträge, die die damals junge Wiener Werkstätte erhielt. Selbst für einen Bösendorferflügel entwarf Hoffmann ein eigenes Gehäuse. 1927 übernahmen Neffen und Nichten Victor Zuckerkandis das Haus, ab 1930 führte ein Schwiegersohn den Betrieb wenig erfolgreich weiter. Erst kurz vor dem März 1938 versuchte Trude Zuckerkandl den maroden Betrieb zu sanieren. Der Einmarsch der deutschen Truppen kam einer finanziellen Gesundung zuvor. Das Sanatorium wurde von den Nationalsozialisten unter kommissarische Verwaltung gestellt. Die legendäre Inneneinrichtung, durch die das Sanatorium zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk wurde, verschwand 1938 im Zuge der nationalsozialistischen Enteignungen von jüdischem Besitz. Viele Einrichtungsgegenstände wurden gestohlen. Einzelstücke der Inneneinrichtung zählen heute zu den bedeutendsten Möbelentwürfen dieser Periode.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs dienten die Gebäude als Lazarett, 1945 wurden sie von der russischen Besatzung requiriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kurhaus zu einem Spital umgebaut, ein Teil der Anlage als Pflegeheim genutzt. 1952 erwarb die Evangelische Kirche (Innere Mission für Wien, Niederösterreich und Burgenland) das Sanatorium und baute es zu einem Krankenhaus um, wobei die alten Pavillons wegen Baufälligkeit abgerissen werden mussten. 1975 wurde der Betrieb eingestellt, Gebäude und Park blieben lange ungenutzt. Erst vor wenigen Jahren renovierte eine private Investorengruppe in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt den Hoffmann-Bau in den wesentlichen architekturhistorischen Bereichen bis ins Detail originalgetreu. Wichtige Teile der historischen Anlage konnten gemäß ihrer ursprünglichen Bestimmung weiterverwendet werden.

Mit dem Bau eines Palais für den belgischen Industriellen Adolphe Stoclet in Brüssel schuf Hoffmann – gemeinsam mit Gustav Klimt und den Wiener Werkstätten – eine Villa mit 40 Zimmern, deren durchgehende Ausgestaltung sie zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk machte.

Persönlichkeiten der nächsten Generation wie Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Friedrich Kiester, Josef Frank und Oswald Haerdtl förderte er früh und selbstlos. Seine Person scheint hinter seinem Werk nicht sichtbar zu sein. Es wird von großer Ruhe und Nervenkraft berichtet, von Ausgeglichenheit und Arbeitsdisziplin, von Wortkargheit und einer totalen Abschirmung des Privatlebens. Er konnte andere gut zu großen Leistungen bringen und man erzählte, dass unter seinen Augen sogar der Verputz und Anstrich schneller trocknen würden. Großen theoretischen Diskussionen über seine Baukunst war er abgeneigt. »Was soll man über die Kunst sagen? Machen oder bleiben lassen« – eine enthaltsame Positionierung.

Er war evang. H. B. und erhielt ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof (Ehrengrab Gr. 14C, Nr. 20).

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 90–92.