Von Gustav REINGRABNER

Josua Opitz wirkte als Prediger des Evangeliums nur durch wenig mehr als drei Jahre in Österreich, hat aber durch seine Tätigkeit wesentlichen Einfluss auf die Ausbildung evangelischen Bekennens im Lande unter der Enns gehabt: Er war während seiner Tätigkeit Prediger der evangelischen adeligen Landstände im Landhaus zu Wien.

Opitz war, wie so viele evangelische Prediger in der Reformationszeit, kein Österreicher, er ist 1542 in Sachsen geboren worden. Als Zwanzigjähriger trat er sein erstes Pfarramt an, aber bereits 1571 wurde er Superintendent in der Reichsstadt Regensburg. Als solcher wäre ihm eine reiche Tätigkeit beschieden gewesen, wie dies auch bei seinem Vorgänger und Nachfolger der Fall war.

Er war aber in die Auseinandersetzungen verwickelt, die man den flacianischen Streit nennt; dabei ging es um die Frage nach der Qualität der Erbsünde: Was bedeutete die Erbsünde für die Stellung des Menschen vor Gott? Flacius und seine Anhänger, zu denen sich auch Opitz zählte, meinten, Luthers Stellung besonders deutlich zu vertreten, wenn sie davon ausgingen, dass die Erbsünde das Wesen des Menschen ganz und gar verwandelt hätte, so dass dieser nicht nur unfähig sei, sein Heil selbst zu erlangen, sondern sich auch gegenüber der Gnade Gottes wie ein Stunk oder Fels verhielte. Um dieser Meinung willen haben in den Jahren zwischen 1565 und 1575 viele evangelische Prediger in deutschen Ländern ihre Stellung verlassen müssen; sie wurden von evangelischen Landesfürsten oder Obrigkeiten, die diese extreme Lehre nicht teilten, ihres Amtes entsetzt. Das geschah auch mit Josua Opitz, der Regensburg im Februar 1574 verlassen musste.

Auch einer seiner späteren Kritiker meint, dass er „ein gelehrter Mann war und eine beredte Zunge hatte“. Jedenfalls galt er als ausgesprochen guter Theologe und profilierter Vertreter der evangelischen Sache. So beriefen ihn die evangelischen Stände in Österreich unter der Enns, die damals eben von Kaiser Maximilian II. die Erlaubnis erhalten hatten, im Landhaus zu Wien einen öffentlichen Gottesdienst einzurichten, als ihren Prediger. Obschon Opitz keine Kirche hatte, sondern zu den im Hof versammelten oder sich im großen Sitzungssaal sammelnden Evangelischen predigen musste, gelang es ihm nicht nur, die in Wien ansässigen oder sich hier aufhaltenden Adeligen, sondern auch eine große Anzahl von Bürgern der Stadt in seinen Gottesdiensten zu sammeln.

Natürlich vertrat er auch in Wien kompromisslos und klar den evangelischen Standpunkt, was ihm von katholischer Seite als ein ständiges „Hetzen“ angekreidet wurde. Im Zeitalter der konfessionellen Gegensätze, die sich bis zum absoluten Hass steigern konnten, war das auch gar nicht anders möglich. Immerhin aber war er nicht nur der theologische Vertrauensmann der Adeligen, der auch kirchenleitende Funktionen wahrnahm, sondern ein Hort evangelischer Verkündigung in einer Stadt, in der diese ansonsten kaum möglich war.

Nicht nur durch seine Predigten, sondern auch durch eine ganze Reihe von Schriften hat Opitz versucht, die Evangelischen in ihrem Bekenntnis zu stärken und zu dessen Bewahrung zu bewegen. Dabei ging es ihm nicht nur um sein „Bekenntnis von Erbsünde und der Hauptquelle aller wirklichen Sünden“, wie der Titel einer seiner Schriften lautete, die er in Wien verfasste, sondern auch um eine evangelische Lebenskunde, die er unter dem Titel „Menschenspieqel“ veröffentlichte.

Der Tod Maximilians II. im Jahr 1576 brachte es mit sich, dass sich die Position des Herrschers gegenüber dem Protestantismus im Lande veränderte. Kaiser Rudolf II. begann relativ rasch mit gegenreformatorischen Maßnahmen. Eine der wichtigsten war die Aufhebung des Wiener Landhausministeriums. Allen Bitten und Beschwörungen der Vertreter der adeligen Stände zum Trotz wurde am 10. Mai 1578 in Gegenwart des Kaisers dem Magister Josua Opitz aufgetragen, dass er sein Amt niederlege. Sechs Wochen später erging eine kaiserliche Entschließung, dass sich Opitz unverzüglich aus Wien zu entfernen habe und auch innerhalb von vierzehn Tagen Niederösterreich zu verlassen hätte.

Dieser Ausweisung zum Trotz hielt sich Josua Opitz noch einen Winter hindurch in der dem Freiherrn Veit Albrecht von Puchheim gehörenden Stadt Horn auf. Dort verfasste er ein bewegliches und berührendes Sendschreiben an die evangelischen Bekenner in Wien, in welchem er ihnen angesichts der Lage nach der Aufhebung des bisher öffentlichen Gottesdienstes viele Ratschläge, Mahnungen und Hinweise zur Bewahrung ihres Glaubens und Bekenntnisses erteilte, letztlich aber doch nichts anderes vermochte, als sie der Gnade des göttlichen Heilandes zu befehlen.

Nach einer längeren Wanderung wurde er endlich wieder 1580 in Büdingen in ein Pfarramt berufen. Auch dort bewies er alle mögliche Treue, seinem Beruf Genüge zu tun, mit Lehren, Vermahnen und auch der Ausübung der Kirchenzucht; auch in Büdingen verfasste er eine ganze Reihe von erbaulichen und theologischen Schriften. Es war ihm allerdings kein langes Leben mehr beschieden, denn schon am 10. November 1585 verstarb er mit seiner Frau und seinen Kindern in Büdingen an der Pest; er war gerade 43 Jahre alt geworden.

Einerseits hat also Opitz im Lande unter der Enns unter die Bekenner des Evangeliums, die Anhänger des lutherischen Glaubens, Zwietracht gebracht, den flacianischen Streit hierher mit eingetragen, andererseits aber war es gerade diese Auseinandersetzung, die in vielfacher Weise das Bekenntnisbewusstsein der Wiener und niederösterreichischen Protestanten stärkte. Es war die Tätigkeit des Josua Opitz, die dazu führte, dass viele Bewohner Wiens evangelisch wurden, vom Statthalter Erzherzog Ernst in einem großen Fußfall am 19. Juli 1579 die Zulassung der Augsburgischen Konfession zu erreichen suchten und auch noch nach dem Scheitern ihrer Bemühungen, öffentlichen Gottesdienst zu haben, durch lange Zeit als renitente Ketzer galten. Wenn wir auch heute anders über konfessionelles Verhalten denken, so muss uns doch am Beispiel des Lebens des Josua Opitz die Frage vor Augen stehen, welche Bedeutung denn unser Bekenntnis für unser Leben und seine Gestaltung hat.

Opitz hat gezeigt, dass es Augenblicke gibt und Überzeugungen, bei denen man keine Kompromisse schließen kann: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater“, so spricht der Herr der Kirche.

 

Aus: Glaube und Heimat 1983, S.32-33.