Sie war zehn Jahre alt, als sie zu schreiben begann, mit 18 hatte sie das Bedürfnis, mit Rainer Maria Rilke Kontakt aufzunehmen, woraus eine Brieffreundschaft hervorging. Dieser Briefwechsel 1924-1926 mit Gedichten Erika Mitterers gilt als eines ihrer populärsten Werke. Auch Stefan Zweig, den Erika Mitterer 1927 kennengelernt hatte, zeigte sich von ihren Werken begeistert. Dem Schriftsteller Felix Braun gegenüber, mit dem sie schließlich eine tiefe Freundschaft verband, bezeichnete Zweig sie als eine »große Dichterin«. Zweig regte den Kontakt mit anderen namhaften Literaten an und förderte die Veröffentlichung ihres ersten Gedichtbandes (»Dank des Lebens«, 1930). Ein besonderes Freundschafts- und Vertrauensverhältnis verband Erika Mitterer mit vielen anderen Schriftstellern, u.a. Alexander von Bernus, Imma von Bodmershof, Marianne Bruns, Robert Braun, Hans Carossa, Michael Guttenbrunner, Theodor Kramer, Hans Leifhelm, Paula von Preradović, Ernst Scheibelreiter und Ina Seidel.

Ihr Roman »Wir sind allein«, in dem sie sich mit sozial schlecht gestellten Menschen proletarischer Herkunft beschäftigt und deren bedrückende und ärmliche Lebensumstände schildert, zeugte von der widerständigen Haltung der Autorin gegenüber herrschenden politischen Tendenzen: Sie weigerte sich, das Manuskript zu bearbeiten und die Figur eines sympathischen jüdischen Armenarztes zu ändern, wie es die Zensurbehörden des NS-Regimes forderten. Der bereits 1934 vollendete Roman konnte daher erst 1945 erscheinen. In diesem Werk zeichnet sie ein Bild des gängigen Antisemitismus der Gesellschaft der zwanziger Jahre, das sie gleichzeitig verurteilt und bloßstellt.

Erika Mitterer circa 1930. Quelle Martin Petrowsky, Erika Mitterer Gesellschaft.
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1930 begegnete die junge Schriftstellerin Ricarda Huch und Lou Andreas-Salomé in Berlin. In diesem Jahr starb ihre Mutter, und Erika Mitterer gab ihre Berufspläne als Fürsorgerin auf, um den Haushalt des Vaters zu führen und sich mehr auf das Schreiben zu konzentrieren. 1933 erschien ihre Erzählung »Höhensonne«, ein Werk, das von ihren Erfahrungen aus ihrer beruflichen Tätigkeit als Fürsorgerin beeinflusst wurde. 1940 erschien ihr Roman »Der Fürst der Welt«, in dem Mitterer das NS-Regime kritisiert. Er gilt als Paradebeispiel für die Literatur der Inneren Emigration und konnte nur deshalb erscheinen, weil die Reichsschriftkammer die darin formulierte Kritik als antikatholisch interpretierte. Er wurde ins Norwegische und ins Englische übersetzt. Die aufmerksamen Leser erfassten Erika Mitterers Anliegen. Der österreichische Kulturpolitiker Viktor Matejka schrieb nach dem Krieg: »Den nächsten intensiven Kontakt mit Ihrer Literatur hatte ich im KZ Dachau. Ihr »Fürst der Welt« war für mich und meine Freunde eine Art gezielter Widerstand.« Im Zuge der Veröffentlichung des Romans in Norwegen publizierte ein Literaturkritiker im Jahre 1942 seine Erkenntnis, dass das Werk eigentlich eine Schilderung der Zustände im Hitlerreich bezeichne, worauf die Zensurbehörde die Papierzuteilung für weitere Auflagen sofort unterband. In der Zeitung Nationen (Oslo) war 1942 zu lesen: »Das Buch kann einen lehren, dass sich das Mittelalter auf verschiedenen Breitegraden verschieden äußern konnte, aber auch, dass es sich in Zeit und Raum sehr lange erstreckt.«

Während der Befreiung Wiens im Jahre 1945 knüpfte Erika Mitterer erste Kontakte mit Oskar Maurus Fontana zwecks Wiedergründung eines österreichischen Schriftstellerverbandes. Ihr Mann Fritz Petrowsky arbeitete an der Seite von Ernst Molden an der Neugründung der Tageszeitung Die Presse. Erika Mitterer nahm den Kontakt mit vielen emigrierten Freunden wieder auf und befreundete sich mit der Tänzerin Grete Wiesenthal. 1946 wurden die »Zwölf Gedichte 1933-1945« veröffentlicht. 1951 erschien der Roman »Die nackte Wahrheit«,1953 der Mädchenroman »Kleine Damengröße« und die Erzählung »Wasser des Lebens«.

Einige Jahre widmete sich Mitterer dem Drama: Sie verfasste viele Stücke, u.a. das Volksstück »Arme Teufel«, 1954 (im Oktober 2005 in der »Freien Bühne Wieden« in Wien uraufgeführt). Nachdem sie 1965 zum Katholizismus konvertiert war, beschäftigte sie sich intensiv mit religiösen Themen und verfasste zahlreiche religiöse Gedichte. Der Roman »Alle unsere Spiele« erschien erst 1977. Zur Neuauflage des Werkes im Jahr 2001 rezensierte die Nürnberger Zeitung: »Erika Mitterer ist eine Meisterin der Erzählkunst. Die Worte sind einfach, nachvollziehbar, ohne Eitelkeit. Sie lassen ahnen, warum es jederzeit und überall wieder geschehen kann.« Für ihr Werk wurde die Künstlerin mit einer Vielzahl an Ehrungen und Preisen ausgezeichnet.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 112-113.