In seinem letzten Buch »Demnächst oder der Stein der Sisyphos« wurde Mauthe von seinen Söhnen gefragt: »Warum hast du so viel Wert daraufgelegt, Protestant zu sein? Und dass auch wir welche sind?« Mauthe antwortete mit einer »Rede an meine Söhne«:

»Weil deine Väter und Vorväter samt ihren geduldig duldenden aber hartköpfigen Frauen – Frauen, wie auch deine Mutter eine ist, mein Sohn – ihres Glaubens wegen viel gelitten haben. Einige von ihnen sind aus Frankreich verjagt worden über den Rhein und von dort weiter ins Landesinnere, ihre Urenkel sind dann die Donau hinunter gewandert bis Wien und von dort hinauf nach Galizien gezogen, um nach fünf oder sechs Generationen auch von dort wieder vertrieben zu werden: kleine Leute, Bauern im besten Fall, meistens aber Handwerker, auch Tagelöhner darunter oder Strohschneider. Es wäre ihnen besser gegangen, wenn sie sich angepasst, auf Priester statt auf Pastoren gehört, wenn sie sich eine andere Sprache zugelegt hätten. Das haben sie nicht getan, und wozu hätten sie all das auf sich genommen, würdet ihr, meine Söhne, es jetzt abstreifen, mehr oder weniger leichthin, weil so was heute ja keine große Rolle mehr spielt und die Frage, ob das Abendmahl in dieser oder jener Form verabreicht werden sollte, ja wirklich ein fast schon skurriler Anachronismus ist? Ihr würdet das Leid und die Hoffnung und die Erduldungen unserer Vorfahren im Nachhinein sinnlos machen und ein Muster aus dem Teppich der Geschichte tilgen. Sodann: das hat uns eben geprägt, mich jedenfalls und über mich euch wahrscheinlich auch, ohne dass wir es uns gewünscht hätten.«

Mauthe vereinte in seiner Seele und seinem Werk lutherische Innigkeit, lutherische Sprachbesessenheit bis hin zur kreativen Frechheit des Meisters mit calvinischem Widerstandsgeist und zwinglianischer Nüchternheit und Pionierfreude. Dieses kreative Potenzial können Worte wie »engagierter Journalist und Politiker« nur mit Müh und Not einfangen. Wer mit ihm lebte oder arbeitete, hatte das biblische Erlebnis: Das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden.

Gerd Bacher holte Mauthe 1969 als Chefdramaturg und Programmplaner in den ORF. Mauthe erfand die erste Möglichkeit einer Publikumsbeteiligung, die Sendung »In eigener Sache«. Er war ein Kritiker, der zeigte, wie es gemacht wird. So schuf er die »Familie Merian«, eine Fernsehserie, die u.a. die Schwierigkeiten eines behinderten Mädchens in einer nicht behindertengerechten Wohnung vorführte. Bereits beim Nachkriegssender Rot-Weiß-Rot von 1950 bis1955 und dann beim ORF von 1967 bis 1974 teilte er in seiner satirisch-kritischen Sendung »Der Watschenmann« ordentlich aus. Mauthes erster und wohl bekanntester Roman »Die große Hitze oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi« nimmt die Reaktion des offiziellen Österreichs auf den Klimawandel prophetisch vorweg – und ein reizvoller Schlüsselroman ist er auch noch.

Eine seiner gelungensten Großaktionen war »Wir wollen Niederösterreich schöner machen«. Und so trägt dieses Bundesland bis heute die Spuren von Mauthes gutem Geschmack und seiner kunstgeschichtlich fundierten Ästhetik. Aufsehen erregte Mauthe zusammen mit Günther Nenning 1984 mit ihrer »Erklärung der Tiere« und mit dem »Schönheitsmanifest«. Der Schlüsselsatz: »Das schöne Land Österreich wird immer hässlicher!« Und sie forderten: »Die tägliche Vernichtung von Schönheit muss aufhören. Wir verlangen, dass die Schönheit in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt wird.« Zu den Festwochen 1985 füllte er die Wiener Innenstadt mit Puppen an. Er »verpuppte« Wienerinnen und Wiener und konfrontierte sie in einer Art mit sich selber, dass sie mitspielen mussten. »Die Ironie der Inszenierung: Hinter Schaufenstern schöne Puppen in schönen Kleidern, auf und in der Straße hässliche Puppen, und die realen Menschen dazwischen.« (Robert Kauer)

Als Spätfolge des plötzlichen Einsturzes der Wiener Reichsbrücke am 1. August 1976 holte ihn der »bunte ÖVP-Vogel« Erhard Busek als Stadtrat in die Wiener Kommunalpolitik. Für Mauthe führte das zu einer Explosion an Fantasie und Kreativität. Die große Konstante in Mauthes Leben war seine Liebe zu Wien. Er gründete das »Metropol« und das Wiener Journal und war maßgeblich verantwortlich für die Renaissance der Wiener Beiselkultur. Sein allzu frühes Sterben bewältigte er mit dem Werk »Demnächst oder der Stein der Sisyphos«: stark vor lauter Hoffnung, er hatte längst den Tod in seine Dienste genommen.

Während des Konflikts in der Hainburger Au stand Mauthe, ein »Vordenker« der Grünen, auf der Seite der Aubesetzer. Bei der Pressekonferenz zur Unterstützung des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens gegen den Bau des Kraftwerks erschien er als Schwarzstorch verkleidet.

Mauthe wurde mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet, 2004 wurde er von den Kurier-Lesern in die Liste der 50 wichtigsten Österreicher der letzten 50Jahre gewählt.

Sein Begräbnis in der Lutherischen Stadtkirche war eine wahrhaft »Scheue Leich« – im Hintergrund begleitet durch das Satyrspiel eines für seine systemerhaltenden Einfälle bekannten Lutherischen Oberkirchenrates. Mauthe hat die Liturgie selbst komponiert und seinen langjährigen Freund und Gesinnungsgenossen Robert Kauer mit der Durchführung eines evangelisch-freimaurerischen Gottesdienstes bzw. Rituals beauftragt. Seine Urne wurde im achteckigen Turm seiner Burgruine Mollenburg im Waldviertel beigesetzt.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 109-111.