Die jetzige Landeshauptstadt des Burgenlandes, Eisenstadt, besaß wohl im 16. Jahrhundert ein gut organisiertes evangelisches Leben, konnte aber doch, trotz ihrer Erhebung zur königlichen Freistadt im Jahre 1648, das evangelische Bekenntnis nicht bewahren, weil der gegenreformatorische Druck der katholischen Fürsten Esterházy auch in der Stadt sehr groß war. So kam es, dass nach der Erlassung des Toleranzpatentes in Eisenstadt keine evangelische Gemeinde entstand. Es dauerte bis ins späte 19. Jahrhundert, bis sich in dieser Stadt Anfänge evangelischen Lebens ergaben. Diese Anfänge hängen mit der Person Josef Paul von Király zusammen.

Er war 1883 von Ödenburg nach Eisenstadt gezogen. Hier verbrachte er bis zu seinem im Jahr 1887 erfolgten Tod seinen Lebensabend. Er sah in diesen wenigen Jahren einen Teil seiner Aufgaben auch darin, hier das evangelische Kirchenwesen einzurichten. Für den 1. März 1885 berief Király eine Versammlung der in Eisenstadt und Umgebung wohnenden Protestanten ein. Es galt für die im Jahre 1881 errichtete Bürgerschule in der Weise zu sorgen, dass die wenigen evangelischen Schüler, die sie seit 1883 besuchten, regelmäßig Religionsunterricht erhielten. Es galt aber auch, wenigstens fallweise, für einen Gottesdienst in der Stadt zu sorgen. An der Versammlung nahmen zwölf Männer teil; sie wählten Király zu ihrem Präses und erwarteten von ihm, dass er nun etwas zur Entwicklung der Gemeinde unternähme. Tatsächlich waren seine Erfolge bescheiden; das lag einfach an der geringen Zahl der hier wohnenden Evangelischen und an der Tatsache, dass sie sehr unterschiedlichen Ständen angehörten. Immerhin war seine Tätigkeit doch so nachhaltig, dass ihm im Jahr 1968 die später entstandene evangelische Pfarrgemeinde eine Gedenktafel am Grabe anbringen ließ, die die Widmung trägt: „In dankbarer Erinnerung an den Neubegründer und ersten Kurator der evangelischen Pfarrgemeinde Eisenstadt. Das Gedächtnis der Gerechten bleibe im Segen (Spr. 10, 7).“

Diese Tätigkeit des Herrn von Király ist deshalb bemerkenswert, weil er durch sein literarisches Werk, durch seine Gelehrsamkeit, nicht zuletzt aber durch seine berufliche Stellung weit über eine solch kleine Gemeinde hinaus bekannt war und Ansehen hatte. Mit wem er sich verbunden fühlte, zeigt die Widmung seines Buches „Ernst und Scherz“, das er in Eisenstadt veröffentlichte und den „verklärten Geistern der väterlichen und brüderlichen Freunde Lenau, Grillparzer, Pyrker, Grossmann, Grün, Geibel, Rückert, Arany und Kolbenheyer“ widmete.

Király kam am 20. Jänner 1820 in Nyireqyháza zur Welt; sein Großvater war Kaufmann, sein Vater war Lehrer. Josef Paul studierte in seiner Heimatstadt, dann in Eperies, schließlich an der theologischen Lehranstalt in Preßburg. In Preßburg fand er Anschluss an kulturell interessierte Kreise, wobei seine musikalischen Fähigkeiten die Voraussetzung dafür bildeten. Neben seinem Studium wirkte er als Hofmeister im Hause einer reichen Bürgerfamilie. 1834/35 studierte Király in Wien. Danach begleitete er die gräfliche Familie Forgach auf eine Auslandsreise und wurde dann in dieser Familie Erzieher. Damals bereits pflegte Király die Freundschaft mit Franz Grillparzer. 1843 wurde er Professor am evangelischen Gymnasium in Schemnitz; Schemnitz verließ er 1851 als Direktor dieser Schule. Im September 1853 wurde Király Direktor des Ödenburger evangelischen Lyceums, das zugleich Gymnasium und theologische Ausbildungsstätte war.

Es ist weder die Aufgabe, hier die Tätigkeit des Gymnasialdirektors noch auch des in der Gesellschaft wirkenden Király darzulegen. Sicher ist aber wichtig, dass sich Király um die Kleinkinderpädagogik annahm und im Gefolge der Komtesse Therese Brunswick für die Einrichtung sogenannter „Klein-Kinderschulen“ gesorgt hat. Jedenfalls wurden die Verdienste von Király durch die Verleihung des Franz-Josefs-Ordens und der damit verbundenen Erhebung in den Adelsstand gewürdigt.

Nun ist es an der Zeit, nach der Stellung Királys zu seiner Kirche zu fragen. Er verstand sich ganz sicher vor allem deshalb als Protestant, weil er in diesem Bekenntnis die deutlichste Ausprägung eines Glaubens gegeben sah, der der vollen Entfaltung des menschlichen Geistes dienlich und förderlich war. In zahlreichen Gedichten hat Király diesen aufgeklärten, liberalen Glauben ausgedrückt, eines davon sei hier wiedergegeben:

„Der Riesenfels ist mein Altar, mein Baldachin der Himmel,
es stockt sogar die Menschenschar im Thales Weltgetümmel,
und Friede waltet um mich her, auch in verklärter Ferne;
ich bete still und andachtshehr, mir winken Wonnesterne.
Der See (Neusiedler) blinkt mir Vertrauen zu als gottgeweihter Schleier,
der Schneeberg, voll erhabner Ruh, haucht Segen auf die Leier.
O! Klinge fort mein Saitenspiel, du klingst mir aus dem Herzen:
Wenn alles schweigt, winkt mir das Ziel, mit Engeln fromm zu scherzen.
Nur eine Bitte möcht ich thun,
o Vater aller Welten:
In deinem Schoße möcht ich ruhn! Laß dieses ,Amen‘ gelten.“

Es ist ein Bekenntnis, in dem Jesus und sein Werk kaum Platz haben. Király teilt es mit so vielen Evangelischen in Österreich und Ungarn während des 19. Jahrhunderts. Sie waren so aufgeklärt und von der Würde des Menschen überzeugt, dass ihnen die Freiheit des Evangeliums die Mündigkeit des Menschen bedeutete. Aber gerade diese Männer und Frauen waren es, die das Ansehen und die öffentliche Geltung des österreichischen und ungarischen Protestantismus begründeten und ausbauten. Insofern sind sie auch Zeugen des Evangeliums gewesen, freilich in einem Verständnis, das nicht mehr von allen geteilt werden kann. Wir Heutigen aber haben keinen Grund, uns dieser Männer zu schämen, die auf diese Art und Weise Grundstein gelegt haben für eine spätere Entwicklung, in der die Botschaft von der Rechtfertigung allein aus Gnade wieder die ihr zukommende Bedeutung erhalten hat.

 

Gustav Reingrabner: Eine Wolke von Zeugen – Josef Paul von Király
Aus: Glaube und Heimat 1986, S. 34-35.