Das hätte sich der ungarische Arbeiterdichter Karl Isidor Beck auch nicht gedacht, dass aus ihm einmal der unbekannte Namensgeber des berühmtesten Walzers der Welt werden würde. Johann Strauß Sohn komponierte den Walzer 1867 als Konzertwalzer für den Wiener Männergesangverein. Strauß soll nach der Uraufführung gesagt haben: »Den Walzer mag der Teufel holen, nur um die Coda tut’s mir leid, der hält ich einen Erfolg gewünscht.« Der mäßige Erfolg des Walzers erklärte sich aus dem Text, den der Vereinsdichter des Männergesangsvereins, Josef Weyl, geschrieben hatte. Die Mitglieder des Vereins hatten sich ja auch zuerst geweigert, diesen dummen Text zu singen:

Bässe: Wiener, seid froh …
Tenöre: Oho, wieso?
Bässe: No-so bli-ickt nur um –
Tenöre: I bitt, warum?
Bässe: Ein Schimmer des Lichts …
Tenöre: Wir seh‘n noch nichts!
Bässe: Ei, Faschin ist da!
Tenöre: Ach so, na ja!
Bässe: Drum trotzet der Zeit…
Tenöre (kläglich): 0 Gott, die Zeit….
Bässe: Der Trübseligkeit,
Tenöre: Ah! Das wär’ g’scheit! Was nützt das Bedauern, das Trauern. Drum froh und lustig seid!

Für die Weltausstellung in Paris 1867 schrieb Strauß eine Orchesterversion des Walzers und gab ihm den Titel »Le beau Danube bleu«. Die Textpassage »An der schönen blauen Donau« stammt von Beck. In Becks Text bezieht sie sich allerdings nicht auf Wien, sondern auf Baja, seinen Geburtsort. Baja liegt an der schönen blauen Donau, in Abgrenzung zu der in der Nähe fließenden »blonden« Theiß. Es ist also der Walzer eines Lutheraners mit dem Titel eines reformierten Dichters, aus dem mittlerweile die inoffizielle Hymne Österreichs wurde. Sie wird zu Silvester um Mitternacht nach dem Geläute der Pummerin ebenso gespielt wie beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, dem fast die ganze Welt lauscht.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 34