Hilchenbach ist der bedeutende evangelisch-reformierte (evang. H.B.) Theologe und Pfarrer, der in Wien zur Zeit der großen Zeitenwende gewirkt hat, die das Toleranzpatent Kaiser Josephs II. mit sich gebracht hat. Er war ein überzeugter »Josefiner« – es ist typisch, dass er auf dem Porträt, das sein Schwager Malvieux von ihm gemacht hat, wie ein hoher josefinischer Beamter aussieht. 1776-1783 war er holländischer Gesandtschaftsprediger. In diesem schwierigen Amt zeigte er, was ein mutiger und intelligenter Mann alles »anstellen« kann. Und als erster Pfarrer der Wiener Reformierten Gemeinde bewies er die Fähigkeit, mit seinen Kirchenvorstehern eine Pfarrgemeinde zu gründen und aufzubauen. Es ist kein Zufall, dass ein hochgebildeter Mann wie er bald ein hochrangiger Freimaurer wurde. Dazu kam sein starkes, auch organisatorisches Engagement für das Wiener Armen- und Sozialwesen. Er war von bemerkenswerter ökumenischer Offenheit und daher bei den Wiener katholischen Pfarrern sehr beliebt.

Der Sohn des evangelisch-reformierten Predigers Carl Balthasar Hilchenbach wurde 1749 »privatim« von Pfarrer Schlosser getauft. Nach dem Schulbesuch in Frankfurt folgte ein Studium der Theologie an den Universitäten von in Marburg und Göttingen. 1774 erfolgte seine Ordination zum Prediger durch das fürstlich-hessische Konsistorium. Anlässlich einer Reise nach Wien lernte Hilchenbach die holländische Gesandtschaftsgemeinde und deren Prediger, den reformierten (evang. H.B.) Theologen Johann Friedrich Mieg kennen, der ihn in das Haus des holländischen Gesandten Graf von Degenfeld-Schonburg einführte, dessen Sympathie er schnell errang. Am 14. Mai 1774 betraute man Hilchenbach mit der Predigerstelle Miegs, da dieser für ein Jahr beurlaubt war. Seine Abschiedspredigt hielt Mieg im September 1776; Hilchenbach trat am 6. Oktober des gleichen Jahres die Stelle des holländischen Gesandtschaftspredigers in Wien an.

Hilchenbach bezeichnete seine Gottesdienste, die er in deutscher, bei besonderer Gelegenheit in französischer oder lateinischer Sprache abhielt, als »öffentlich«, was bei den Wiener Erzbischöfen zu Protesten führte. Ohne Rücksicht auf Stand, Nationalität und Konfession hatte jeder Zutritt zu seinem Gottesdienst. Sein besonderes Anliegen war die Armenunterstützung; so wurde regelmäßig bei der Augustinerkirche eine Geldspende aus seiner Kollekte für katholische Hilfsbedürftige abgegeben; der Ertrag einer gedruckten Predigt Hilchenbachs war ausdrücklich für die Armen bestimmt. Finanzielle Unterstützung für seine Kampagnen erhielt Hilchenbach regelmäßig durch Legate wohlhabender Gemeindemitglieder, wie Daniel Gay oder den Württembergischen Gesandten Graf von Dürckheim.

Anlässlich des Todes von Kaiserin Maria Theresia (29.11.1780) verfasste Hilchenbach einen Nachruf unter dem Titel »Empfindungen beym Krankenbette und Grabe Marien Theresiens«. Ihr Sohn und Nachfolger Joseph II. erließ am 13.10.1781 das »Toleranz-Patent«, das offiziell nun die Religionsausübung für Lutheraner, Reformierte und Griechisch-Orthodoxe duldete. Der Bau und die Erhaltung von Kirchen und Schulen wurde gestattet.

Am 30. Dezember hielt Hilchenbach eine besondere Predigt mit Bezug auf die erteilte Religionsfreiheit unter dem Titel »Die Gesinnungen eines Christen gegen besondere Wohlthaten Gottes durch seinen Regenten. Eine Rede über Psalm 138, Vs 1.2«, die 1782 im Druck erschien, worauf sogar die Brünner Zeitung ausführlich Bezug nahm. Um eine eigene Reformierte Kirchengemeinde mit den dazu notwendigen Räumlichkeiten gründen zu können, initiierte Hilchenbach gemeinsam mit dem Grafen zur Lippe eine gewinnbringende Kollekte, zu deren zahlungskräftigen Wohltätern bekannte Wiener Reformierte wie Johann Freiherr (ab 1782 Reichsgraf) von Fries (10.000 Gulden), Graf von Promnitz, Freiherr von Gontard, die verwitwete Gräfin Degenfeld-Schonburg, Freiherr von Montmartin, Sigmund von Renner u.v.a. gehörten.

Am 15.2.1782 richtete man eine Petition an den Kaiser mit der Bitte um Erlaubnis, eine Reformierte Gemeinde und ein Bethaus errichten, einen Pfarrer bestellen und bei den ausländischen Glaubensbrüdern mit einer weiteren Kollekte sammeln zu dürfen. Der Kaiser billigte am 2.3.1782 dieses Ansuchen, obwohl die im Toleranzpatent geforderte Mindestanzahl von 100 Gemeindemitgliedern nicht nachgewiesen werden konnte.

In einem »Circular« an alle Glaubensverwandte empfahl Graf zur Lippe, Hilchenbach zum neuen Gemeindepfarrer zu wählen, was deren Zustimmung fand. Am 10.3.1782 konnte man den Kirchen-Konvent im Haus des Bankiers Peter Ochs abhalten und am 10.4. wurde ein Kollektenbrief an die Glaubensbrüder im Ausland verschickt. Mit Unterstützung des Grafen zur Lippe, der allein 700 Briefe als Spendenaufrufe verschickte, wurde diese Kollektensammlung zu einem vollen Erfolg. Am 2.2.1783 legte Hilchenbach sein Amt als Prediger der holländischen Gesandtschaft nieder und verließ den diplomatischen Dienst. Seine Abschlusspredigt hielt er über Matthäus 25, Vers 40. Im März des gleichen Jahres vollzog Hilchenbach die erste Taufe als Gemeindepfarrer im Hause des Grafen zur Lippe.

Höhepunkt des Jahres 1782 (22.3.) war der Besuch Papst Pius’ VI. in Wien. Einen Tag später erwarb die Reformierte Gemeinde für 23.900 Gulden die Eckparzelle Dorotheergasse/Stallburggasse, Teil des ehemaligen Königin Klosters, das so wie andere durch den Kaiser aufgehoben und dem Magistrat der Stadt Wien zur öffentlichen Versteigerung übergeben worden war. Am 25.12.1784 konnte endlich der erste Gottesdienst im neuen Bethaus abgehalten werden, Hilchenbach hielt eine Predigt über Ps 26/7-8 und 1. Könige 8/29, die unter dem Titel »Einweihungs Gebät« 1785 in Wien veröffentlicht wurde. Dieser erste Gottesdienst in der Reformierten Stadtkirche wird als der eigentliche Gründungstag der Reformierten Gemeinde Wien betrachtet.

Hilchenbach war ein aufgeschlossener Mensch mit Interesse für Politik, Wissenschaft und Kultur. Er war – ebenso wie sein Vorgänger Mieg – als Illuminat bekannt (»Naevius«) und seit 1782 Mitglied der Freimaurerloge »Zur Wahren Eintracht«, eine der bekanntesten Wiener Bauhütten und geistiges Zentrum für Aufklärer und Illuminaten. Sie hatte den Ruf einer elitären Versammlung, der zahlreiche namhafte Mitglieder angehörten, wie Joseph von Sonnenfels, Joseph Haydn und der berühmte »Mohr« Angelo Soliman.

Auch mit dem gleichaltrigen Johann Wolfgang von Goethe soll Hilchenbach befreundet gewesen sein, dessen Schwager, der Hofrat, Philosoph, Schriftsteller und Illuminat Johann Georg Schlosser, ebenfalls Mitglied der Wiener Freimaurerloge »Zur Wahren Eintracht« war. Obwohl die Loge nur zwischen März 1781 und Dezember 1785 arbeitete, war sie vor allem durch ihre äußerst rege Publikationstätigkeit im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Am 21.6.1782 wurde Hilchenbach als »Lehrling« aufgenommen und am 3.7.1782 zum »Gesellen« ernannt. Zwischen 1783 und 1784 verzeichnen die Protokollbücher Hilchenbach als Logenredner, 1784 als »Meister« und 1785 als »Erster Aufseher«. Vier Reden »Bruder Hilchenbachs« vor seinen Mitbrüdern sind bekannt. »Über das Glück (124); »Die Eintracht, das Glück maurerischer Verbrüderung« (133); »Ob irgendetwas Scientifistisches oder Spekulatives in der Freymaurerey enthalten sey«, 1783 (142); »Über den Meistergrad« (144).

Zwar hatte Joseph II. die Freimaurer »staatlich anerkannt«, beschränkte jedoch bald (1785) durch ein Handbillet die Anzahl von Logen und ihrer Mitglieder.

»Zur Wahren Eintracht« ging in der St. Johann-Loge »Zur Wahrheit« auf, in deren Protokollbüchern sich »Bruder Hilchenbach« 1786/87 weiterhin nachweisen lässt.

Die Trauung Hilchenbachs am 25. Oktober 1785 mit Aimee Henriette Malvieux wurde durch seinen Nachbarn, den lutherischen Prediger und Superintendenten von Nieder- und Innerösterreich, Johann Georg Fock, vollzogen. Aimee Malvieux’ (*18.2.1767 Dresden/D) Vater war einem Ruf des Kaiserhauses nach Wien gefolgt, wo er sich mit seinem Unternehmen neu etabliert hatte. Malvieux gehörte, ebenso wie sein Sohn Jakob, temporär dem Vorstand der Reformierten (evang. H.B.) Wiener Gemeinde an. 1785 wurde Hilchenbach durch Kaiser Joseph II. zum ersten geistlichen Rat des in Wien errichteten Konsistoriums für die Reformierte Gemeinde und zum Superintendenten von Wien und Triest ernannt. 1790 gab er einen eigenen Katechismus für Konfirmanden unter dem Titel »Kurze Übersicht der Glückseligkeit Jesu Christ« heraus, der während der Toleranzzeit in einer Kurzfassung auch in Galizien verwendet worden sein soll.

1794 gründete Hilchenbach zusammen mit Pfarrer Johann Georg Fock eine gemeinsame evangelische Lehranstalt. 1804 wurde er zum Beisitzer der Wohltätigkeits-Hof-Kommission und 1806 zum Armenbezirksdirektor ernannt. Gemeinsam mit Joseph Freiherr von Retzer rief Hilchenbach die erste Lesegesellschaft in Wien ins Leben. Sein soziales Engagement wurde vom Kaiser mit der »Goldenen Zivilverdienstmedaille mit Oehr und Band« gewürdigt. Er hinterließ u. a. einen bemerkenswerten Bibliotheksbestand, zurückgehend bis ins 15.Jahrhundert, darunter eine Erstausgabe des Hexenhammers »malleus maleficarum« (1487) und mehrere Übersetzungen in Englisch, Französisch und Niederländisch, eine Zwingli-Bibel von Christoph Froschauer (1545), eine Luther-Bibel, 1547 bei Hans Lufft in Wittenberg herausgegeben, diverse Werkausgaben der Reformatoren des 16.Jahrhunderts, darunter eine Calvin-Ausgabe (ein Unikat in Österreich), Chyträus‚ »Geschichte der augsburgischen Confession« von 1580, die Konzilakten von Trient u.v. a.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 83-86.