Wenn es das Burgtheater nicht gäbe, meinte sie einmal, wäre sie nicht auf der Welt. Denn ihr Vater verließ Magdeburg, um dem Burgtheater nahe zu sein, baute in der Nähe von Wien eine große Gärtnerei und heiratete. Die gesamte Medienszene begann sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu modernisieren, und Pflaum war an dem Aufbruch in Österreich wesentlich beteiligt. Sie hat die Pressefotografie von den fünfziger bis in die siebziger Jahre des 20.Jahrhunderts geprägt wie keine Frau zuvor. Als Autorenbiografin im Dienst der Wochenpresse, gab es Ausgaben, in denen zwei Drittel aller Fotos von ihr stammten. Wenn sie als »First Lady« bezeichnet wurde, trifft das den Kern ihrer Persönlichkeit und ihrer Arbeit nur teilweise. Auch die Beschreibung als erfolgreiche Amateurfotografin, die viel gesehen und »aus dem Bauch heraus« (Gerd Bacher) fotografierte, klingt nicht angemessen und nach einem Stereotyp über Frauen. Sie fotografierte eher mit dem Kopf, denn durch ihr Grafikstudium war sie mit den Kompositionsregeln vertraut und hatte den Blick für den Bildaufbau.

Als sensible, hochprofessionelle und gesellschaftspolitisch feinfühlige Fotografin prägte sie mit ihren Bildern eine Interpretation der Geschichte, auch wenn sie sagte, dass ein Fotograf sich dem Objekt unterordnen müsse. In ihren Fotografien machte sie Kommentare zur Gesellschaftspolitik, manchmal liebevoll, oft humorvoll, immer inspiriert. Sie drückte ab, als sich die gesellschaftliche und politische Elite öffentlich zeigte: Die Fotos sind von einer ungewöhnlichen Frechheit für die »braven« 1960er Jahre in Österreich. Das Protestantische zeigte sich damals an der nonkonformen Sicht, an dem Mangel an Unterwerfung vor der Öffentlichkeit und den Promis.

Als »Ikonen der österreichischen Erinnerung« (Wolfgang Kos) werden ihre Fotos heute hymnisch gelobt und sind vielen im Gedächtnis: die Kennedys vor dem Stephansdom, Helmut Qualtinger als Herr Karl, Maria Callas im Hotel Sacher. Auch »evangelische Ikonen« fehlen nicht: Konrad Lorenz in seinem Arbeitszimmer, Ingeborg Bachmann bei der Verleihung des Anton-Wildgans-Preises 1972, Gottfried von Einem mit seiner Frau Liane von Bismarck 1961, Bruno Pittermann 1966, Oskar Werner 1959 und viele andere. In fast jeder Ausstellung oder Publikation zur österreichischen Zeitgeschichte wurden ihre Fotos unentbehrlich. Der berühmteste Wochenpresse-Aufmacher hieß »Schatten über Österreich« und trug das Porträt des Gewerkschaftsführers Franz Olah, dem Titel entsprechend interpretiert von Barbara Pflaum.

Vermutlich machte Fritz Molden, als er 1955 die Wochenausgabe der Presse zur Wochenpresse machte, seinen engen Freund Herbert Tichy auf Barbara Pflaum aufmerksam. Ihre Fotos waren für den Alltag der Zeitung oft »zu künstlerisch« (Lucian O. Meysels). Sie verwiesen auf mehr als den Augenblick, sie zeigten den Kontext auf, die Hintergründe, den »anderen« Blickwinkel. Auch als Chronistin des Theaters wurde sie berühmt. Sie gehörte zu den profiliertesten Theaterfotografinnen Österreichs. Abseits der wichtigsten Inszenierungen begleitete sie Schauspieler und Sänger mit ihrer Kamera. Ihr persönliches Archiv umfasst 15.000 Prints und 150.000 Negative.

Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien heiratete sie den Unternehmer Peter Pflaum, der ebenfalls aus einer groß-bürgerlichen Familie aus Altenberg kam. Der Ehe entstammten drei Kinder: Barbara, Monika und Hannes Pflaum. 1938 begann eine langjährige Freundschaft mit Herbert Tichy. Nach ihrer Scheidung 1948 setzte sie ihr Studium an der Hochschule für angewandte Kunst fort und schloss es ab. 1952 schenkte ihr Herbert Tichy ihre erste Kamera, eine Rolleiflex. Ihre Fotos wurden u. a. in den fünfziger Jahren bei der Biennale in Venedig gezeigt. 1955-1977 war sie als Fotografin bei der »Wochenpresse« angestellt und prägte seit damals die Berichterstattung über die österreichische Innenpolitik mit ihren Fotos. Außerdem arbeitete sie für »Theater heute« und »Die Bühne«. Ab 1959 wurde ihr Name als Autorin unter dem Foto genannt, was als große Auszeichnung galt. Es folgten Fotoausstellungen, Publikationen. 1986 nach ihrer Pensionierung erhielt sie das Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien. Ab den 1980er Jahren begann eine Altersdemenz, eine lange und schwere Krankheit.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 121-122.